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Aus: Ausgabe vom 12.05.2025, Seite 5 / Inland
Rentenversicherung und Altersarmut

Hickhack um Altersvorsorge

SPD-Gesundheitsministerin Bärbel Bas will Beamte und Selbständige in Rentenversicherung eingliedern, CDU und Berufsverbände laufen Sturm
Von Niki Uhlmann
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Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) guckt da mit Sicherheit nicht auf ihren Rentenbescheid (Duisburg, 10.5.2025)

Die Sozialdemokratie will die gesetzliche Rentenversicherung reformieren, indem der Kreis der Beitragszahlenden ausgeweitet wird. Gründe gibt es dafür genug. Seit 1990 ist das Rentenniveau in der BRD um fast zehn Prozentpunkte gesunken. Heute liegt es bei 47,6 Prozent und soll dort bis 2031 bleiben. Wer ganze 45 Arbeitsjahre Rentenbeiträge auf das Durchschnittseinkommen zahlt, kann also mit der Bruttostandardrente von 1.690 Euro (Stand 2023) rechnen. Das ist allerdings die Ausnahme. Mehrheitlich verdienen Lohnabhängige nämlich weniger und schuften nicht pausenlos von Berufseintritt bis zur Rente. Die seit Jahren kontinuierlich ausufernde Altersarmut quittiert es: 2024 wurde mit rund dreieinhalb Millionen Armutsbetroffenen ab 65 Jahren ein neuer, trauriger Rekord erreicht.

»In die Rentenversicherung sollten auch Beamte, Abgeordnete und Selbständige einzahlen«, deutete die neue Bundesarbeitsministerin, Bärbel Bas (SPD), die Zeichen der Zeit am Freitag im Interview mit dem Hamburger Abendblatt. Sicher sei bislang nur, dass »die Rentenbeiträge demographiebedingt leicht steigen« werden. Die Regierung werde also »eine Rentenkommission ins Leben rufen, die Reformvorschläge machen soll«. Damit hat Bas eine Debatte losgetreten.

»Populistischen Unfug« nannte Christoph Ahlhaus (CDU), ehemaliger Bürgermeister Hamburgs und Vorsitzender des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft, Bas’ Vorschlag am Sonnabend gegenüber Bild. Benannt hat er damit korrekt, dass nun um die wahlentscheidenden Stimmen deutscher Rentner gebuhlt wird. »Selbständige brauchen Entlastung, keine Zwangsmitgliedschaft in einer sturmreifen Staatsrente«, vertrat er seine Klientel. Der CSU-Landesgruppenchef im Bundestag, Alexander Hoffmann, behauptete begleitend, dass eine breitere Beteiligung an der Rente »die Probleme in der Rentenversicherung« nicht lösen könne. Eine Begründung blieb er schuldig.

»Was viele unterstützen, löst bei der Polizei Protest aus«, klagte die Gewerkschaft der Polizei (GdP) gleichentags auf Facebook über die »Abschaffung der Pensionen«. Wer sich täglich »für die Sicherheit aller Menschen« einsetze, verdiene »angemessene Pensionen« und »kürzere Lebensarbeitszeiten«, wurden die staatlichen Exekuteure von ihrem Bundesvorsitzenden Jochen Kopelke zur erhabenen Berufsgruppe hochstilisiert. Die Dienstherren müssten einen Teil der Rentenbeiträge zusätzlich leisten und die Bruttobezüge der Beamten steigen, argumentierte der Deutsche Beamtenbund am Sonntag mit »enormen Kosten« gegen die »Zwangs-Einheitsversicherung« via dpa. Zum Vergleich: 2024 betrug das durchschnittliche Ruhegehalt von Pensionären im öffentlichen Dienst 3.240 Euro brutto – fast das Doppelte der Standardrente.

Dass selbige sich »der solidarischen Rentenversicherung entziehen«, sei »komplett aus der Zeit gefallen«, mahnte hingegen Verena Bentele, Präsidentin des Sozialverbands VdK. Lob erntete Bas auch von der Linken. Deren Vorsitzende Ines Schwerdtner sprach von einem »ersten Schritt zu einem Rentensystem für alle«, der das Rentenniveau wieder auf 53 Prozent steigern könne. Die BSW-Vorsitzende Sahra Wagenknecht monierte wiederum bei Bild: »Die gesetzliche Rente ist über Jahrzehnte kaputtgespart worden.« Bas’ Vorschlag sei richtig. Nur werde »ein solcher Systemwechsel unter Schwarz-Rot nicht kommen«.

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  • Leserbrief von Wilfried Schubert aus Güstrow (12. Mai 2025 um 16:06 Uhr)
    Allen Anschein kommen die Kritiker am Vorschlag der Arbeitsministerin aus den Reihen der möglichen Betroffenen. Es trifft nicht die Bedürftigen unserer Gesellschaft. Zum Beispiel die Minister der neuen Regierung sind in aller Regel auch Bundestagsabgeordnete. Zu ihrem Einkommen als Minister von ca. 15.500 Euro kommen noch 11.227,20 Euro einkommenssteuerpflichtige Diäten, für die keine Rentenbeiträge gezahlt werden. Sozial sehr gerecht ist der Vorschlag von Frau Bas gegenüber den 4,9 Millionen Rentnern, die weniger als 1.000 Euro monatliches Nettoeinkommen beziehen. Bleibt im Interesse der Rentenversicherung, die vage Hoffnung, dass der Vorschlag von Frau Bas verwirklicht wird.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (11. Mai 2025 um 23:31 Uhr)
    Wer was verdient und wer was bekommt, ist zweierlei. Die Beurteilung, ob die »erhabene Berufsgruppe« bekommt (sie ist auch lohnabhängig), was sie verdient, hängt vom Klassenstandpunkt ab. Allerdings halte ich die Behauptung im Artikel, dass Lohnabhängige mehrheitlich weniger verdienen, genau aus Sicht des Klassenstandpunkts für falsch: Sie bekommen weniger, als sie verdienen. Ich wiederhole mich: Die angeblichen »Arbeitgeberanteile« an den Sozialversicherungen sind ein vorsätzlich eingebauter Konstruktionfehler und vorenthaltene Lohnbestandteile. Frau Bas rüttelt also nicht an den fehlerhaften Grundpfeilern des Systems, allenfalls hinterlässt sie eine Duftmarke. Übrigens: Postboten waren früher mal Beamte, jetzt werden sie durch Packstationen ersetzt. Gibt es sowas auch statt der Bolizei?

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