»Sie finden das nicht so schlimm«
Interview: Max Grigutsch
Der Pierburg-Firmenstandort am Berliner Volkspark Humboldthain soll auf die Produktion von militärischen Komponenten umgebaut werden. Was genau wird dort künftig hergestellt?
Pierburg ist eine Tochterfirma von Rheinmetall. Das besagte Werk in Berlin hat eine Geschichte als Maschinenbauunternehmen und als Waffenlieferant im Ersten Weltkrieg. In den vergangenen Dekaden wurden dort Autoteile hergestellt. Jetzt ist der Plan, das Werk zur Produktion von Munitionshülsen umzubauen. Damit wird die Niederlassung in die Waffenproduktion eingebunden. Die Autoteile sollen meines Wissens weiter produziert werden, es soll also zweigleisig gefahren werden.
Es geht also nur um die Produktion dieser Hülsen oder auch um andere Waffenteile bzw. -systeme?
Es ist schwer, an Kenntnisse aus dem Werk zu kommen. Wir haben zwar Insiderinformationen, dass für die Munitionshülsen wohl Geräte angeschafft werden – mehr wissen wir aber nicht. Es ist möglich, dass da noch mehr produziert werden soll. Sie haben nur offen kommuniziert, dass keine Sprengstoffe vor Ort verarbeitet werden sollen.
Gibt es einen Stichtag für die Produktionsumstellung?
Nach meinen Informationen soll im Laufe des Sommers umgebaut und dann gegen Sommerende die Produktion gestartet werden.
Ein Bündnis, für das Sie sprechen, demonstriert gegen den Umbau. Sie argumentieren, dass Rheinmetall vom Krieg profitiert, unter anderem von israelischen Angriffen auf Gaza. Sollen in Berlin Teile hergestellt werden, die dort verwendet werden könnten?
Wir wissen es nicht genau, aber die Annahme liegt nahe, dass dort produzierte Munition auch in alle Welt verschifft und in den aktuellen Krisen verwendet werden könnte. Die Firma hat nie gesagt, dass sie den Kram auf jeden Fall nach Gaza schicken, aber es ist zu vermuten, dass das passieren wird.
Stichwort Krisen: Wie reiht sich die Produktionsumstellung in die aktuelle Aufrüstungspolitik der Bundesregierung ein?
Es ist genau am Zahn der Zeit. Die neue Regierung war noch nicht im Amt und trotzdem hieß es schon: Wir müssen das Soziale zusammensparen und das Militärische aufrüsten. Das hat die vorherige Regierung ja schon losgetreten. Es bleibt abzuwarten, wie das weitergeht. Aber dass es jetzt der Trend ist, dass sowohl Deutschland als auch die ganze Welt hochrüsten, ist beängstigend für uns als linke Kräfte und für die gesamte Bevölkerung. Dadurch werden sich die sozialen Krisen immer weiter zuspitzen, im Inneren wie im Äußeren. Wir sind alle sehr besorgt, dass die Produktion am Humboldthain diesen Krisenherd weiter anfeuern wird. Dem stellen wir uns entgegen.
Die Kampagne tritt als Bündnis linker Gruppen auf. Haben Sie auch Kontakt zu den Beschäftigten, die am Pierburg-Standort arbeiten?
Wir sind aktuell über 20 linke Gruppen, die sich zusammengeschlossen haben. Wir haben geplant, in die Ansprache an die Beschäftigten zu gehen. Über persönliche Kontakte haben wir Gespräche mit einzelnen Leuten vor Ort geführt, aber strukturelle Zusammenarbeit gibt es noch nicht. Wir hatten aber schon Kontakt mit Leuten aus der IG Metall, die im Groben gesagt haben: Besser, die produzieren da jetzt Waffenteile, als wenn gar nichts produziert wird. Sie finden das nicht so schlimm. Im Gespräch mit einem Gewerkschaftssekretär habe ich das Thema angesprochen und er meinte, das sei jetzt der neue Trend in Deutschland und da würden sie mitgehen. Der IG Metall ist das scheinbar bewusst, aber sie hat kein Problem damit.
Die Demo »Soziales statt Aufrüstung« findet diesen Sonnabend um 15 Uhr am Berliner Gesundbrunnen statt. Welche Forderungen erheben Sie?
Wir wollen keine Waffenproduktion im Wedding, in Berlin oder überhaupt in Deutschland. Darüber hinaus verlangen wir ein Ende der deutschen Unterstützung für den Genozid in Gaza und ein Ende der Waffenlieferungen an die Ukraine. Auf der Demonstration rechnen wir mit 1.500 Teilnehmern.
Niklas Graßmann ist Mitglied der Linke-Basisorganisation Wedding und im Demo-Bündnis gegen die Waffenproduktion im Wedding
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