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Aus: Ausgabe vom 10.05.2025, Seite 5 / Inland
Automobilindustrie

US-Autobauer baut ab

Köln: Belegschaft von Ford kämpft für Sozialtarifvertrag und stimmt für unbefristeten Streik. Geschäftsführung mauert
Von Ralf Wurzbacher
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Mehrtägige Ausstände haben bislang nicht gereicht – jetzt reicht es aber! (2.4.2025)

Im Kölner Ford-Werk stehen die Zeichen auf Streik. Bei einer Urabstimmung haben sich 93,5 Prozent der gewerkschaftlich organisierten Beschäftigten für die Aufnahme eines unbefristeten Arbeitskampfes ausgesprochen. Der US-Autobauer müsse sich jetzt bewegen, »sonst ziehen wir das durch«, äußerte sich Kerstin Klein, Erste Bevollmächtigte der IG Metall Köln-Leverkusen, am Donnerstag abend in einer Mitteilung. Hintergrund sind die stockenden Verhandlungen mit dem Unternehmen über die Zukunft des Standortes. Nach den Plänen des Managements sollen in Köln-Niehl 2.900 von derzeit noch 11.500 Stellen gestrichen werden. Mithin droht sogar ein Ende der Produktion.

Klein freute sich über ein »fulminantes Ergebnis«. Bei einer Wahlbeteiligung von knapp 96 Prozent sei das erforderliche Quorum von 75 Prozent klar übertroffen worden. Es war das erste Referendum dieser Art in der fast 100jährigen Historie des Stammwerks in der Domstadt. Davor hatte man Streitigkeiten stets »sozialpartnerschaftlich« beigelegt. Die Zäsur zeigt, wie ernst die Lage ist. Die Geschäfte laufen seit langem schlecht. Wie andere Westmarken hat auch Ford den Übergang zur Elektromobilität verschlafen. Der Absatz der E-Autoflotte läuft schleppend. Die in dieser Woche vorgelegten Quartalszahlen erbrachten zwar ein Plus beim Verkauf – insbesondere in Europa. Die Verluste der Sparte sind mit 849 Millionen US-Dollar in drei Monaten aber immer noch immens. Auch die in Köln vom Band laufenden Modelle Capri und Explorer, für die man eine komplett neue Fertigungsanlage zu Kosten von zwei Milliarden Euro errichtet hatte, sind weit davon entfernt, ein Kassenschlager zu sein.

»Wir sind entschlossen, diesen Auftrag der Kolleginnen und Kollegen umzusetzen«, erklärte Gewerkschafterin Klein mit Blick auf anstehende Arbeitskampfmaßnahmen. »Außerdem sollte Ford spätestens jetzt klar sein, dass ein reeller Schaden auch für das Nutzfahrzeuggeschäft in Europa eintreten kann – ganz zu schweigen von dem Imageverlust, den das für Ford bedeuten würde.« Ob sich die Bosse davon beeindrucken lassen, steht auf einem anderen Blatt. Denn inzwischen verdichten sich die Hinweise, dass Ford am Rhein bald ganz den Bach runtergehen könnte. Anfang März hatte die US-Konzernmutter die sogenannte Patronatserklärung aufgekündigt, die den Bestand ihrer deutschen Tochter wie eine Art Schutzschirm sicherte. Eine zugleich bewilligte Geldspritze von 4,4 Milliarden Euro soll vornehmlich die Schuldenlast senken, die sich auf 5,8 Milliarden Euro türmen soll. Obendrauf sollen Mittel in jährlich dreistelliger Millionenhöhe für einen Businessplan kommen, um die Transformation des Europageschäfts zu fördern.

Für Köln könnte es dafür schon zu spät sein. Die IG Metall deutet die gestrichene Bürgschaft durch die US-Holding als Signal für eine vielleicht fällige Insolvenz in den kommenden Jahren. In diesem Fall wäre es nicht nur um den Kündigungsschutz geschehen, daneben würden wohl auch bestehende Abfindungsprogramme hinfällig, die bislang vergleichsweise gut dotiert waren. Stand jetzt sind betriebsbedingte Kündigungen eigentlich bis 2032 vertragsgemäß ausgeschlossen. Gleichwohl will die Chefetage bis 2027 knapp 3.000 Leute loswerden. Angesichts der bedrohlichen Lage fordern der Betriebsrat und die Gewerkschaft weitreichenden Schutz für die gesamte Belegschaft im Rahmen eines Sozialtarifvertrags. »Freiwilliges« Ausscheiden soll mit 200.000 Euro nebst einem Drittel Jahresgehalt pro Beschäftigungsjahr und 10.000 Euro pro Kind entschädigt werden. Trotz zweier Warnstreikwellen im März und April war die Geschäftsführung bisher nicht zum nötigen Entgegenkommen bereit.

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