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Aus: Ausgabe vom 10.05.2025, Seite 1 / Inland
Linkspartei nach der Bundestagswahl

Hoffnungsvoll in Chemnitz

Linke-Bundesparteitag berät über Perspektiven nach Wahlerfolg und Mitgliederansturm
Von Nico Popp, Chemnitz
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Lange nicht gesehen? Linke-Star Heidi Reichinnek läuft am Freitag auf der Parteitagsbühne in Chemnitz unter allgemeinem Jubel in die Arme von Parteifreunden

In Chemnitz hat am Freitag nachmittag der Bundesparteitag der Partei Die Linke begonnen. Motto diesmal: »Die Hoffnung organisieren«. Nachdem die Partei, die noch zum Jahreswechsel mit drei Prozent in den Umfragen Richtung Abgrund taumelte, im Triumph wieder in den Bundestag eingezogen ist, stellt sich die alte Frage, wie es nun weitergeht, neu. Der Parteitag soll darauf erste Antworten geben. Im Leitantrag des Parteivorstandes wird auf eine zu entwickelnde »sozialistische Mitgliederpartei« und eine »wirksame soziale Opposition« orientiert.

Pünktlich zum Parteitag wurde ein neuer Mitgliederhöchststand gemeldet: 112.000 Genossinnen und Genossen sind es nun. Nur 40.000, hieß es am Freitag in Chemnitz, sind länger als eineinhalb Jahre in der Partei. Der schleichende Mitgliederaustausch ist zum Erdrutsch geworden.

Insgesamt begünstigt die Entwicklung der vergangenen Monate die Mehrheitsströmung in der Parteiführung, die die Integration der Partei in den politischen Betrieb der Bundesrepublik zum Abschluss bringen will. Gerne half man erst am Dienstag bei der Beschleunigung der Wahl von Friedrich Merz zum Bundeskanzler.

Jede Infragestellung dieser Linie wird zurückgewiesen. Am Donnerstag nahm sich der Parteivorstand die Zeit, um in einem Beschluss festzustellen, dass für Die Linke »das Existenzrecht des Staates Israel« nicht verhandelbar sei; man distanziere sich »von jedem Aufruf, jedem Statement und jedweder bildlichen Darstellung«, die »die Existenz Israels negiert oder die Auslöschung Israels propagiert«. Vorstandsmitglied Ulrike Eifler hatte am 6. Mai beim Kurznachrichtendienst X den Hashtag »Free Palestine« gepostet – und dazu eine Karte, in der das israelische Staatsgebiet nicht gekennzeichnet und damit nicht von dieser Losung ausgenommen wird. Volker Beck, Chef der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, rief nach dem Verfassungsschutz. Der Linke-Vorstand rückte umgehend von Eifler ab; Bundesgeschäftsführer Janis Ehling empfahl bei X indirekt den Austritt: »Wer meint, sich daran nicht halten zu müssen, sollte sich fragen, ob er in der richtigen Partei ist.«

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Franz S. (12. Mai 2025 um 09:52 Uhr)
    »Hoffnung organisieren«. Diese Parole könnte auch der neue Papst unterschreiben. Die Kirche mit zweitausendjähriger Erfahrung organisiert Hoffnung so: Die Schäflein auf das Jenseits vertrösten.
  • Leserbrief von Reinhold Schramm aus Berlin (11. Mai 2025 um 07:48 Uhr)
    »Linke: Masse und Klasse«. Aspekte zum Sozialismus im 21. Jahrhundert: Auf der Grundlage des gesellschaftlichen Gemeineigentums an Grund und Boden, Luft und Wasser, Rohstoffen und Bodenschätzen sowie der Tier-, Natur- und Pflanzenwelt. Auf der Basis des gesellschaftlichen Eigentums an allen hierfür erforderlichen Produktionsmitteln, der Verarbeitung, der Industrien und der Verteilung wie des Handels. Wir sollten uns bewusst sein, dass sich in der bestehenden kapitalistischen Klassengesellschaft Deutschlands die Verfügungsgewalt über die gesellschaftliche Reproduktion und deren Produktionsmittel im Besitz einer gesellschaftlichen Minderheit befindet. Davon partizipieren und profitieren allenfalls 5 bis 7 Prozent der Bevölkerung Deutschlands, zwischen 4,3 und 6 Millionen Bundesbürger*innen. Sie verfügen zugleich über alle Schlüsselpositionen und den Gewaltapparat des Staates und den bildungspolitischen und ideologisch-medialen staatlichen und privaten Medienapparat. Die deutsche und europäische Bourgeoisie, insbesondere die Finanz- und Monopolbourgeoisie, wird sich niemals freiwillig einer Einsicht in die gesellschaftliche Notwendigkeit einer Umverteilung und Verfügung der gesamten Gesellschaft, eben des demokratischen Gemeineigentums über die (gesellschaftlichen) Produktionsmittel, beugen. Sie werden alle bestehenden Mittel der staatlichen und privaten Gewaltausübung mobilisieren und einsetzen, um ihre private Verfügungs- und Entscheidungsgewalt über das Privateigentum an (gesellschaftlichen) Produktionsmitteln dauerhaft für sich und ihre Erben zu behalten. In Zusammenarbeit mit ihren Kapital-, Partei- und Parlamentsfaschisten würden sie auch hierfür einen mörderischen Bürgerkrieg organisieren und durchführen.
    • Leserbrief von Fred Buttkewitz aus Ulan - Ude (12. Mai 2025 um 13:42 Uhr)
      »Sie werden alle bestehenden Mittel der staatlichen und privaten Gewaltausübung mobilisieren und einsetzen, um ihre private Verfügungs- und Entscheidungsgewalt über das Privateigentum an (gesellschaftlichen) Produktionsmitteln dauerhaft für sich und ihre Erben zu behalten.« Die Französische Revolution, die ja dem Kapitalismus genehmen Produktionsverhältnissen auch außerhalb Englands Bahn brach, konnte den Leitgedanken »Freiheit – Gleichheit – Brüderlichkeit« dann natürlich nicht durchsetzen, die Oktoberrevolution bei so mächtigen und zahlreichen Gegnern ebenfalls nicht, jedenfalls nicht auf Dauer. Vielleicht lässt sich eine gemeinschaftliche Produktionsweise und gerechte Verteilung des Erlöses nur in kleineren Territorien oder Gruppen verwirklichen, wie es das ja seit der Urgemeinschaft öfter der Fall war, aber auch da nur unter Ausbeutung anderer Lebewesen aus dem Tier- und Pflanzenreich. Übrigens: Unsere Katze beabsichtigt nicht, ihr Territorium mit einer anderen Katze zu teilen. Und alle mir bekannten Pflanzen breiten sich hemmungslos aus, soweit man sie gewähren lässt, ohne die Erträge des Bodens mit anderen Pflanzen brüderlich teilen zu wollen. Die Menschheit, die mehrheitlich trotz Intelligenz das Ich ebenfalls höher einstuft als das Wir, den Egoismus vor den Gemeinsinn stellt, konnte bisher nur in Teilen und nur zeitweise in einigen sozialistischen Ländern das Gegenteil beweisen. Es gab viel versprechende Versuche. Doch die Schnelligkeit, mit der in der UdSSR und in den anderen sozialistischen Staaten 1989/91 diese Versuche zu Grabe getragen wurden, ohne dass es in der Bevölkerung einen nennenswerten Widerstand dagegen gegeben hätte, lässt bei mir die Frage aufkommen, ob sich jemals überhaupt gesellschaftliche Verhältnisse in Richtung Sozialismus durchsetzen lassen. Nicht nur die kleine Gruppe der besitzenden Oberschicht hat alle Mittel zur Verhinderung in der Hand. Der jedem Lebewesen innewohnende Egoismus unterstützt sie noch dabei.
      • Leserbrief von Reinhold Schramm aus Berlin (12. Mai 2025 um 16:00 Uhr)
        Die hier beschriebene negative Seite aller historischen Entwicklungen ist die Folge der Entstehung der Klassengesellschaft seit dem damit einhergehenden Prozess zum zunehmenden Ende der Urgesellschaft und der (gewaltsamen) Aneignung der Arbeitsergebnisse durch eine zunehmend privilegierte gesellschaftliche Minderheit. Allenfalls die historische Gesellschaftsformation fand ihr Ende im Übergang zu einer neuen Formierung der Gesellschaft auf der Grundlage der Entwicklung der technischen und menschlichen Produktivkräfte und der damit einhergehenden Arbeitsteilung. In deren Fortschreibung hat sich am Charakter der Klassengesellschaft und der feudalen und kapitalistischen Aneignung der Arbeits- und Produktionsergebnisse bis heute im weltweiten kapital-faschistischen 21. Jahrhundert nichts Wesentliches geändert. PS: In den entwickelten kapitalistischen und imperialistischen Staaten und Regionen werden die werktätigen Bevölkerungen mit der massenwirksamen und bildungspolitischen und tiefenpsychologischen Manipulation und deren wirksamer Illusion einer demokratischen Teilhabe gehalten. Diese massenwirksame Teilhabe hat es anhaltend niemals gegeben. Die Menschen werden in geistiger Gefangenschaft und dabei erfolgreich in ihrer diesbezüglichen aktiven Mitwirkung an ihrer Unterwerfung gehalten. Ebenso in allen heutigen feudal-religiösen, kapitalistischen und imperialistischen Staaten der Welt. So auch in Deutschland, Frankreich, Großbritannien, der Schweiz und in ganz Nordamerika wie im Rest der Welt auch.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Thomas K. aus Cottbus (10. Mai 2025 um 20:00 Uhr)
    Den derzeitigen Aufwind hat die Linkspartei dem Zusammenbruch der Regierung Scholz zu verdanken. Das Bestreben, sich in dieser Bundesrepublik regierungsfähig zu machen, hatte in den vergangenen Jahren zu einem stetigen Niedergang der Partei geführt. Eine zweite sozialdemokratische Partei wurde nicht gebraucht. Nachdem die Grünen mit noch einigermaßen bescheidenen Erfolgen die Politik der FDP übernommen haben, die SPD dagegen völlig erfolglos die Politik der CDU zu kopieren versucht, haben beide der Linkspartei eine zu füllende Lücke hinterlassen. Nun hat sie plötzlich durchaus Chancen als sozialdemokratische Partei, denn jetzt ist sie die einzige solche.

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