Reklame fürs Sterben
Von Ole Mathießen
Was für ein Empfang am Dienstag im Hamburger Maritimen Museum – ein Hilferuf auf großen Plakaten: »Rettungscrew gesucht«. Es ging jedoch nicht um die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger oder eine der Hilfsorganisationen, die Geflüchtete im Mittelmeer aus Seenot befreien. Gebettelt wurde um Spenden für das 1936 von den Nazis eingeweihte Marine-Ehrenmal in Laboe an der Kieler Förde, das der Deutsche Marinebund gerne renovieren möchte. Die Kampagne passte zu dem, was sich auf dem 37. Deutschen Schifffahrtstag in dem Museum in der Hamburger Speicherstadt abspielte. Exakt 80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges diente die zum Auftakt durchgeführte Fachkonferenz zur »Maritimen Sicherheit« dazu, unwidersprochen den nächsten Krieg herbeizureden. Die »maritime Zeitenwende« bedeute »Kurs Kriegstüchtigkeit und Schutz der Seewege«, wie die erste Podiumsdiskussion unmissverständlich betitelt wurde.
Als Hauptredner verstieg sich Christoph von Marschall in seinem Eingangsreferat dazu, für 2028 einen Angriff Russlands auf Litauen vorherzusagen. Er illustrierte seine These sogar schon mit dem Aufmarschplan, nach dem »Putin« von drei Seiten her in die baltische Republik einfallen werde. Und damit sei Deutschland dann direkt involviert, weil »wir« Litauens Schutzmacht seien. Dann stehe »Sterben für Litauen« an, so der adelige Publizist mit besten Verbindungen nach Washington. Doch leider sei die deutsche Öffentlichkeit nicht bereit, sich einer atomaren Erpressung Moskaus zu widersetzen, wenn Putin mit einem Atomschlag gegen Hamburg oder Berlin drohe. Um Zeit zu gewinnen, müsse man hoffen, dass der Krieg in der Ukraine nicht ende – natürlich nur »von der analytischen Seite her«, während man als Mensch mit Herz selbstverständlich wünsche, dass das Sterben dort ende.
Auf die USA könne man nicht setzen, warnte Marschall. Mal ganz abgesehen davon, dass die Vereinigten Staaten 2028 mit ihrem eigenen Präsidentschaftswahlkampf beschäftigt seien, halte er es auch für möglich, dass Putin und Xi Jinping – also Russland und China – einen »Zweifrontenkrieg« auslösten, in dem Moskau das Baltikum und Beijing Taiwan attackieren würden. Dann würden sich die USA nicht von ihrem Krieg gegen China ablenken lassen, um Europa gegen Russland zu unterstützen. Deshalb müsse man fähig werden, Russland auch ohne die USA abzuwehren. Das sei auch machbar, denn die EU sei ja sogar alleine wirtschaftlich um ein Vielfaches stärker als Russland. »Warum haben wir Angst vor den Russen und nicht die Russen vor uns?« wurde gefragt. Deutschland brauche mehr Rüstungsfabriken, und ohnehin habe man viel zu lange Rücksicht auf die Russen genommen.
Widerspruch musste Marschall von seinen Zuhörern nicht befürchten. Statt dessen sekundierte ihm der Chef der Bundeswehr-Einsatzflottille 2, Kapitän zur See Sven Beck. Alles müsse sich der »Bündnis- und Landesverteidigung« unterordnen, es gehe um die Sicherung der weltweiten See- und Handelswege. Das hörte Irina Haesler vom Verband Deutscher Reeder gerne, die eine weitere Stärkung der Marine forderte und für eine engere Zusammenarbeit zwischen Sicherheitsbehörden, Marine und Handelsflotte warb. Etwas zögerlich reagierte sie nur auf die verbalen Kriegserklärungen gegen China, denn immerhin würden dort 50 Prozent aller Containerschiffe weltweit gebaut, auch für deutsche Unternehmen. Ihr machte die Zollpolitik von US-Präsident Donald Trump Sorgen, der »Hafengebühren« für in China gebaute Schiffe einführen und eine Zehn-Prozent-Abgabe für nicht unter US-Flagge fahrende Schiffe erheben will.
Der am heutigen Donnerstag zu Ende gehende Deutsche Schifffahrtstag, der erstmals 1909 in Berlin vom Deutschen Nautischen Verein durchgeführt wurde, findet etwa alle drei Jahre an wechselnden Standorten statt. Mitveranstalter sind der Nautische Verein zu Hamburg, der Deutsche Marinebund und der Bundesverband der Deutschen Binnenschifffahrt.
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