Hitler kaputt
Von Arnold Schölzel
Der 8. und der 9. Mai 1945 waren in den Ländern der Alliierten Tage des Jubels. Nazideutschland war besiegt, die Welt schien vom Faschismus befreit. Das Ausmaß der Zerstörungen war nicht annähernd bekannt – viele Deutsche ahnten aber, was beim Völkermord an Juden und Slawen geschehen war. Und erwarteten Gleiches. Der spätere Schriftsteller Fritz Pawelzik aus Herne, der als Hitlerjunge im Berliner Hotel »Adlon« 1945 gegen die Rote Armee kämpfte, hörte dort von einem sowjetischen Soldaten, der ihm zunächst hasserfüllt eine Maschinenpistole vor die Brust hielt: »Dann merkte ich, wie sich das Gesicht veränderte – vielleicht sah ich so hilflos aus, ich war erst 17 – und er sagte: ›Hitler ist kaputt. Wojna kaputt.‹ … Wieder nach einer Weile grinst er mich an, gab mir einen Schubs und sagte: ›Geh Mama‹.« 80 Jahre später fasste Bürgermeister Robert Nitz aus dem brandenburgischen Seelow gegenüber der Berliner Zeitung solche Erfahrung in die rhetorische Frage: »Wer hat uns denn damals den Arsch gerettet?«
Nitz sprach auch gegen das, was die politisch Verantwortlichen in Deutschland zu diesem 80. Jahrestag der Befreiung inszenieren. Sie verhindern das Gedenken der Vertreter Russlands und der Republik Belarus an die Kriegstoten, werfen aber Russland Instrumentalisierung des Datums vor. Am Mittwoch bestätigte das Verwaltungsgericht Berlin das Verbot von sowjetischen Symbolen an sowjetischen Ehrenmalen. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier spricht in seiner Bundestagsrede an diesem Donnerstag laut Vorabmeldung von »Geschichtslügen« und »Geschichtsmanipulationen des Kreml«. Steinmeier macht die Bahn frei für Geschichtsrevisionismus im Sinne der AfD mit ihren 152 Abgeordneten.
Die faschistische Ideologie wurde 1945 nicht ausgerottet, sie erhielt im kapitalistischen Teil Europas ihren Nährboden zurück. Nun hat sie wieder repräsentative Sprecher.
links & bündig gegen rechte Bünde
Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.
Dieser Artikel gehört zu folgenden Dossiers:
Mehr aus: Inland
-
Rote Nelken für Befreier
vom 08.05.2025 -
Dobrindt testet die Grenzen
vom 08.05.2025 -
Mit Kufiya auf der Anklagebank
vom 08.05.2025 -
Reklame fürs Sterben
vom 08.05.2025 -
Klingbeil muss hinnemachen!
vom 08.05.2025