Simon, Frisch, Rühmann
Von Jegor Jublimov
Hat Günther Simon so viel gearbeitet, weil er ahnte, dass er früh stirbt? Oder ist er schon mit 47 Jahren gestorben, weil er sich zu viel zumutete? Am Sonntag wäre der Berliner, der zwei Jahrzehnte lang der wohl populärste DDR-Schauspieler war, 100 Jahre alt geworden. Er war der Held in den beiden heute nicht zu Unrecht als zu propagandistisch beurteilten »Thälmann«-Filmen (1954/55) und schaffte es, sich in den folgenden Jahren davon zu lösen.
Als unpolitischer Jugendlicher musste er in den Krieg und kam als Kriegsgegner aus der Gefangenschaft in Colorado zurück. Nach kurzem Schauspielunterricht spielte er ab 1948 in Köthen, Schwerin und Dresden, von wo ihn Martin Hellberg für »Das verurteilte Dorf« (1952) zur Defa mitnahm. Erst nach dem Erfolg der »Thälmann«-Filme entschloss sich Simon, mit Regisseur Kurt Maetzig als Bürgen Genosse zu werden. Mit ihm drehte Simon noch fünf weitere Filme, ehe sie sich in Havanna bei den Aufnahmen zu »Preludio 11« (1963/64) völlig zerstritten. Simons Potential nutzten auch andere Regisseure wie Konrad Wolf, Frank Beyer, Egon Günther und Günter Stahnke. Bei beiden letzteren gelang es Simon in »Lots Weib« und »Der Frühling braucht Zeit« (beide 1965), moralisch zweifelhafte Genossen zu zeigen. Da gab es Kritik »von oben«. Simon spielte in DDR-Koproduktionen mit der ČSSR, Polen, Großbritannien und Bulgarien auch oft in Kinderfilmen (immer noch beliebt: »Alfons Zitterbacke«, 1966). In zahlreichen DFF-Filmen stand er in Rollen von Arbeitern an Rhein und Ruhr oder Antifaschisten aus der Nazizeit glaubwürdig vor der Kamera.
Gegen das Klischee spielte Simon nicht selten den »Hauspascha«, so im Musikfilm »Meine Frau macht Musik« (1957) neben Lore Frisch. Die aus Oberbayern stammende Schauspielerin, die zunächst in westdeutschen Heimatfilmen auftrat, wurde auch von Martin Hellberg für seine volkstümliche Satire »Der Ochse von Kulm« 1954 zur Defa geholt und drehte hier noch ein Dutzend weiterer Filme, bevor sie 1962 aus unglücklicher Liebe Suizid beging. Sie wäre am 4. Mai 100 Jahre alt geworden.
Am 11. Mai wird Thomas Rühmann alias Dr. Roland Heilmann 70. Der aus der Altmark stammende Schauspieler studierte an der Leipziger Karl-Marx-Universität Journalistik und sprang in einem Amateurtheater ein, als der Schauspielstudent Ulrich Mühe verhindert war. Nun gab es kein Halten mehr, Rühmann wurde Schauspieler und ging ans Berliner Maxim-Gorki-Theater. Nach Kameraerfahrungen als Student spielte er ab 1983 im DFF kleinere Filmrollen, aber als er sich 1997–99 in der ZDF-Affenserie »Unser Charly« sehen ließ, gab das den Anstoß, bei »In aller Freundschaft« von der ersten Folge an Hauptdarsteller zu werden. Er hatte als Dr. Heilmann nicht nur Krankheiten zu heilen, sondern auch zu erleiden, aber war nun für andere Aufgaben »verbrannt«. Rühmann hat sich im Oderbruch zusammen mit Freunden eine eigene Bühne, das Theater am Rand, geschaffen, wo er sich schauspielerisch und musikalisch verwirklicht. Am Freitag tritt er dort auf, und am Sonntag begeht er seinen Geburtstag ganz privat.
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