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Aus: Ausgabe vom 07.05.2025, Seite 7 / Ausland
Rumänien

Diaspora entscheidet

Hohe Zustimmung unter Auslandsrumänen für Rechtskandidaten bei Präsidentschaftswahl. Enges Rennen in zweiter Runde wahrscheinlich
Von Fabio Nacci
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Nach oben gespült: Der ultrarechte Simion darf sich jetzt über den Einzug in die Stichwahl freuen (Bukarest, 29.4.2025)

Der Triumph von George Simion bei den Präsidentschaftswahlen in Rumänien stellt nicht nur einen Sieg der extremen Rechten dar, sondern ist auch eine deutliche Protestbotschaft einer Wählerschaft, die sich vom traditionellen politischen System ausgeschlossen fühlt. Das Ergebnis der ersten Runde, die am Sonntag stattfand, kann als Antwort auf die spektakulären Eingriffe der Justiz infolge des Wahlsiegs von Călin Georgescu im vergangenen November gewertet werden. Laut den am Montag bekanntgegebenen Ergebnissen erzielte Simion, Vorsitzender der ultrarechten AUR (Allianz für die Vereinigung der Rumänen), 41 Prozent der Stimmen. Er profitierte insbesondere vom Ausschluss des ursprünglich favorisierten Georgescu, dem durch einen fragwürdigen Beschluss der Wahlkommission vom 11. März die Teilnahme untersagt worden war. Georgescu sprach sich nach seiner Disqualifikation öffentlich für Simion aus – ein Schritt, der als Hauptgrund für den Aufstieg der AUR gilt.

Der unabhängige Bürgermeister von Bukarest, Nicușor Dan, erreichte mit 21 Prozent überraschend den zweiten Platz, während Crin Antonescu, der Kandidat der Regierungskoalition (PNL und PSD), nur 20 Prozent erzielte. Diese Ergebnisse spiegeln nicht nur die wachsende außenpolitische Spaltung zwischen EU-Anhängern und nationalistischen Kräften wider, sondern auch das verbreitete Misstrauen gegenüber einem als korrupt empfundenen politischen System. Auch die geringe Wahlbeteiligung von 52 Prozent ist Ausdruck dieser Unzufriedenheit.

Die erste Konsequenz des Wahlergebnisses war der Rücktritt von Premierminister Marcel Ciolacu, Vorsitzender der PSD. Seine Partei wertete die Niederlage ihres Kandidaten Antonescu als politisches Scheitern. Auch Elena Lasconi, einst Gegenkandidatin Georgescus bei den im Anschluss annullierten Wahlen vom November, zog sich enttäuscht aus ihrer liberalen Partei USR zurück – ein weiteres Indiz für die Krise innerhalb des politischen Establishments.

Entscheidend für Simions Erfolg war das starke Abschneiden in der rumänischen Diaspora: Er erhielt 60,99 Prozent der Stimmen der im Ausland lebenden Rumänen, insbesondere in Italien und Spanien – Länder mit großen rumänischen Gemeinschaften, in denen die Skepsis gegenüber der EU- und NATO-Politik besonders ausgeprägt ist.

Rumänien, EU-Mitglied und Teil der westlichen Kriegsallianz, erlebt derzeit eine zunehmende gesellschaftliche Polarisierung. Der Ukraine-Krieg und die bedingungslose NATO-Unterstützung des Establishments haben die Spaltung zwischen Befürwortern von Frieden und Anhängern einer militärischen Eskalation vertieft. Simion füllt hier eine Lücke: Er äußerte sich ambivalent zum Krieg, distanzierte sich von EU-Eliten, lobte Donald Trumps Bewegung »Make America Great Again«, sprach sich jedoch klar für den Verbleib in der NATO und für höhere Militärausgaben aus. So erhielt er Rückendeckung vom Verfassungsgericht und konnte eine Disqualifikation wie im Fall Georgescu vermeiden. Er kündigte sogar an, Georgescu zum Premierminister ernennen zu wollen – auch wenn unklar bleibt, wie das realisiert werden soll.

Die Stichwahl zwischen Simion und dem Hauptstadtbürgermeister Dan, die für den 18. Mai angesetzt ist, gilt als offen: Obwohl Antonescu sich geweigert hat, einen der beiden Kandidaten zu unterstützen, erwarten die meisten Analysten ein Kopf-an-Kopf-Rennen, da die Stimmen der PNL und der PSD zusammen mit denen kleinerer liberaler Parteien Simions Vorsprung ausgleichen könnten.

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  • Leserbrief von Mueller aus Rudolstadt (6. Mai 2025 um 20:09 Uhr)
    Was sind das für Kommentare und Behauptungen von der jungen Welt zur Präsidentenwahl in Rumänien- erschreckend inkompetent und undemokratisch. Nun musste schon eine zweite Wahl stattfinden , weil die erste einfach so von einem Gericht annulliert wurde, obwohl nachträglich alles korrekt festgestellt wurde. Und nun erhält der neue Kandidat der geschassten Partei auch noch die doppelte Stimmenzahl. Das kann selbst die kluge junge Welt nicht verstehen, bei der Bild-Zeitung hätte ich das noch verstanden. Schuld sollen die Auslands-Rumänen sein, weil die in profaschistischen Ländern arbeiten und leben. Wer tickt hier bei der jungen Welt nicht richtig? Thomas

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