Bukeles Mafia-Connection
Von Volker Hermsdorf
El Salvadors Präsident Nayib Bukele bezeichnet sich selbst als »coolen Diktator« und lässt sich als Gewinner seines Krieges gegen kriminelle Gangs feiern. Doch sein politischer Aufstieg und sein autoritäres Projekt fußen auf einem Bündnis mit genau den kriminellen Strukturen, die er angeblich bekämpft. Medienrecherchen und Aussagen ehemaliger Bandenführer bestätigten geheime Absprachen zwischen dem rechten Staatschef und den Gangs in El Salvador – inklusive Wahlhilfe, territorialer Kontrolle und Mordplänen –, die sein offizielles Sicherheitsnarrativ ins Wanken bringen. Trotz öffentlicher Anti-Banden-Rhetorik duldete die Regierung offenbar Erpressungen und Morde. Dennoch fördern internationale Kooperationen, etwa mit den USA, Bukeles umstrittenes »Modell« – Donald Trump ließ zuletzt angebliche Kriminelle in ein salvadorianisches Foltergefängnis abschieben.
Während dort Tausende Unschuldige unter unmenschlichen Bedingungen festgehalten werden, wurde einer der bekanntesten Bandenführer des mittelamerikanischen Landes, Carlos Cartagena López, alias »Charli«, heimlich von der Regierung freigelassen. Gegenüber der salvadorianischen Onlinezeitung El Faro erklärte das ehemalige Mitglied der »Barrio 18 Revolucionarios«, dass bereits 2014 geheime Kontakte zwischen der organisierten Kriminellen und Bukeles politischem Umfeld bestanden – zu einer Zeit, als dieser für die linke FMLN Bürgermeister von San Salvador werden wollte.
Extralegale Wahlhelfer
In einem Interview mit der jungen Welt hatte die Menschenrechtsanwältin Zaira Navas bereits vor einem Jahr darauf hingewiesen, dass die vom damaligen Präsidenten Mauricio Funes geführte linke Regierung zu dieser Zeit Verhandlungen mit Gangs führte, um das gegenseitige Töten zu beenden. Bukele hatte aber im Geheimen mit der kriminellen Vereinigung Mara vereinbart, dass Regierungsbeamte, die sie rigoros bekämpften, kaltgestellt würden. »Charli« und »Liro«, ein weiteres ehemaliges Gangmitglied, bestätigten jetzt, dass im Gegenzug Bukeles politischer Aufstieg durch Drohungen und Wahlbeeinflussung in den von den Maras kontrollierten Gebieten unterstützt wurde. Ein System der gegenseitigen Absicherung sei entstanden. Sie sorgten für Wahlhilfe, schüchterten Oppositionelle ein und erhielten dafür Zugang zu Ressourcen, Bauprojekten und Informationen über Polizeieinsätze.
Als Bukele nach dem Ausschluss aus der FMLN mit seiner eigenen Rechtspartei »Nuevas Ideas« (Neue Ideen) 2019 die Präsidentschaftswahl gewann, ließ er Aktivisten und Anhänger der Linken verfolgen. Die Verbindung zu Kriminellen wurde weiter ausgebaut. Bandenmitglieder würden auch in Bukeles Partei mitarbeiten, Abgeordnete beraten und in Bürgermeisterämtern tätig sein, so Zaira Navas. Bis 2022 nahm die Einflussnahme der mafiösen Struktur auf staatliche Institutionen weiter zu. Inhaftierte Bandenführer hatten privilegierten Zugang zu Hochsicherheitsgefängnissen; Treffen mit Regierungsbeamten fanden in Staatsfahrzeugen statt.
Erst nach drei Massakern verhängte Bukele 2022 den derzeitigen Ausnahmezustand. Amnesty International beklagte »massive Menschenrechtsverletzungen, systematische Folter, die Verweigerung von grundlegenden Rechten sowie ungeklärte Todesfälle in Haft«. Nach willkürlichen Festnahmen waren zwischenzeitlich mehr als 1,5 Prozent der Gesamtbevölkerung inhaftiert. Auch »Charli« wurde festgenommen, aber später entlassen, nachdem »ein Anruf meine Freilassung anordnete«, wie er laut der lateinamerikanischen Multimediaplattform Telesur sagte.
Weiter offene Fragen
Die Aussagen der prominenten Bandenführer ergänzen frühere Berichte über die Verbindungen zwischen der organisierten Kriminalität und Bukeles Regierung durch neue Details. Dennoch bleiben Fragen offen: »Warum kam es zum Massaker von 2022? Wie viele Anführer wurden freigelassen? Welche Rolle spielten die Banden beim politischen Aufstieg Bukeles?«, so Óscar Martínez, Chefredakteur von El Faro. »Der Pakt zwischen Bukele und den Banden ist keine Sache der Vergangenheit – er erklärt, wie ein Mann zur totalen Macht gelangte«, sagte Martínez und kündigte weitere Recherchen an.
links & bündig gegen rechte Bünde
Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.
Regio:
Mehr aus: Ausland
-
Attacke auf Flughafen in Sanaa
vom 07.05.2025 -
Wahlrückgang und Rechtsruck in Südtirol
vom 07.05.2025 -
Diaspora entscheidet
vom 07.05.2025 -
Israel will die volle Kontrolle
vom 07.05.2025