Antiimperialistische Kunst
Von Susann Witt-Stahl
Sozialistisch geprägte Kultur stelle die Basis für die ungebrochene Widerstandskraft der Bevölkerung dar. Das war eine Erkenntnis, die Peter Weiss 1968 von einer Reise nach Nordvietnam mitgebracht hatte. Er zählte zu den wenigen westlichen Künstlern, die einen Perspektivwechsel wagten und den Volkskrieg dort verstehen wollten. Nach der Überwindung der französischen Kolonialherrschaft habe er sich von den formalistischen Diktaten der Kunsthändler gelöst, so der Maler Mai Van Hien, einer von vielen Kollegen, die Peter Weiss in seinen »Notizen zum kulturellen Leben der Demokratischen Republik Vietnam« zu Wort kommen ließ. »Gegen den Nihilismus des Feindes wird eine Zuversicht gestellt«, erklärte der Schriftsteller Nguyen Dinh Thi ihr Kunstprinzip. »Wie sprechen von Aufbau, nicht von Verwüstung.« In einem Lied, das Weiss Pioniere nach einem US-amerikanischen Bombenangriff singen hörte, heißt es: »Haben wir den Deich aufgebaut und die Straße gelegt, haben wir den Feind besiegt und vertrieben, dann ist das Kunst.«
In den USA gab es linke Singer-Songwriter, die die politischen Verantwortlichen für den Vietnamkrieg und die Profiteure nannten. »Sehe ich Präsident Nixon? Sehe ich beide Häuser des Kongresses?«, fragte Pete Seeger in seinem Lied »Last Train to Nuremberg« nach dem Massaker von My Lai. »Wer plante die Kampagne zur Verwüstung des Landes? Wer stellte die Kugeln her?« Phil Ochs klärte in seinem »Talking Vietnam Blues« über den Antikommunismus der USA und deren Allianzen mit rechten Diktaturen in Asien auf. In dem Sammelband »Where Is Vietnam?«, herausgegeben von dem Poeten, Kommunisten und Friedensaktivisten Walter Lowenfels, findet sich ideologiekritische Lyrik etwa über die Normalisierung kriegerischer Gewalt im Alltag: »Es steht: 403 gefallen oder verwundet gegen 200 gefallen oder verwundet. Nach einer Halbzeit führt Minnesota 4 zu 2«, demonstrierte Harvey Bialy in seinem Gedicht »Viet«, wie in der Medienberichterstattung Sportspaß mit dem Sterben an der Front kurzgeschlossen wird. Sogar namhafte Vertreter der Beat Generation wie Gary Snyder deckten mit Verweis auf die Auslöschung der Native Americans genozidale Kontinuitäten auf. Allen Ginsberg sprach 1967 in seinem Gedicht »Returning North of Vortex« den sehnlichsten Wunsch des antiimperialistischen Amerikas aus: »Ich hoffe, wir verlieren diesen Krieg.«
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