Hamas in der Schweiz verboten
Von Kim Nowak
Nun ist es offiziell: Am 15. Mai wird die islamistische Organisation Hamas in der Schweiz verboten. Dass das Verbot genau auf den Tag der Nakba fällt, an dem an die massenhafte Vertreibung der Palästinenser rund um die israelische Staatsgründung 1948 gedacht wird, ist wohl dem Zufall geschuldet. Da sich Bern jedoch als »neutrale Vermittlerin« versteht, sind Verbote von Organisationen äußerst selten. Bisher sind lediglich Al-Qaida und der »Islamische Staat« als »Terrororganisationen« in der Alpenrepublik verboten. Daher argumentiert der Bundesrat auch, dass es sich bei dem Hamas-Verbot um eine »Ausnahme« handeln soll. Begründet wird das mit dem Angriff der Hamas vom 7. Oktober 2023 – mit Behauptungen, die von verschiedenen Menschenrechtsorganisationen in Frage gestellt wurden: »Die Hamas« habe Zivilisten wahllos »verstümmelt, verbrannt und sexueller Gewalt ausgesetzt«. Auch wird hervorgehoben, dass die Hamas das Ziel verfolge, Israel »auszulöschen«. Die palästinensische Organisation hat jedoch jüngst zum wiederholten Mal verkündet, einer Zweistaatenlösung offen gegenüberzustehen.
Das Verbot soll auf fünf Jahre angelegt sein. Das Parlament hat allerdings immer die Möglichkeit, es zu verlängern. Wie der Bundesrat in einer Mitteilung vom 4. September 2024 betonte, sollen durch das Verbot »Einreiseverbote« und »Ausweisungen« erleichtert sowie die »Terrorismusfinanzierung« unterbunden werden. Ob die Hamas innerhalb der Schweiz überhaupt operiert, sei für die Entscheidung zweitrangig. Denn es gilt auch für mit »der Hamas verwandte Organisationen« sowie für »Tarngruppen«. Was die Schweiz unter »verwandten Organisationen« versteht, ist jedoch schwammig. In der »Botschaft zum Bundesgesetz«, ebenfalls vom 4. September 2024, wird zwar betont, dass Organisationen, die das »gleiche Ziel« verfolgen, nicht verboten werden. Gleichzeitig heißt es dort jedoch, dass eine gleiche »Zielsetzung«, die zu »gewalttätig-extremistischen Aktivitäten« führen würde, ein Verbot nach sich ziehen würde.
Was der bürgerliche Staat unter »gewalttätig-extremistischen Aktivitäten« im Zusammenhang mit der Palästina-Bewegung versteht, kann täglich in der BRD beobachtet werden. Die Schweiz scheint nun auf dasselbe Pferd aufzuspringen. Die »Kontaktschuld« wird in dieser Konsequenz jedoch alle palästinensischen Organisationen treffen, die im Widerstand gegen Israel mit der Hamas zusammenarbeiten, darunter die marxistische PFLP und die maoistische DFLP. Auf diese Gefahr wird auch innerhalb des Bundesrats hingewiesen. Würde man nun anfangen, ganze Listen zu füllen, drohe das »aber die Rolle der Schweiz als Vermittlerin in bewaffneten Konflikten zu schwächen«, so das Nachrichtenportal Watson am 30. April. Aus diesem Grund wurde auch (noch) kein Verbot der libanesischen Hisbollah verkündet.
Wohin das Verbot führen kann, ist in der BRD zu sehen. Die Gefahr, dass auch in der Schweiz die Grenzen der Meinungsfreiheit, wenn es um Palästina-Solidarität geht, mehr und mehr eingeschränkt werden, ist nicht ausgeschlossen. Erst im Oktober 2024 verkündeten die Jusos Schweiz, die Boykottkampagne BDS zu unterstützen. Ob BDS eine »verwandte Organisation« ist, die »gewalttätig-extremistische Aktivitäten« verfolgt, wird wohl dann die Entscheidung der Justiz werden.
Der Schweizerische Israelitische Gemeindebund (SIG) begrüßte das Verbot, monierte jedoch, dass es zu lange gedauert habe. »Es ist wichtig, dass die Schweiz nicht mehr das einzige Land in Europa ist, in dem Mitglieder der Terrororganisation sich frei bewegen können«, kommentierte SIG-Generalsekretär Jonathan Kreutner am 30. April gegenüber der Jüdischen Allgemeinen. Wie soll nun Solidarität mit Palästina künftig bestraft werden, wenn sie gegen das Schweizer Verständnis verstößt? Zehn bis 20 Jahre Freiheitsentzug, je nachdem, wie groß der Einfluss ist, den man ausübt.
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