Doppelstrategie
Von Nick Brauns
Der designierte Bundesinnenminister Alexander Dobrindt markiert den starken Mann: »Die ersten Entscheidungen werden nach Amtsantritt an diesem Mittwoch getroffen. Dazu werden die Grenzkontrollen hochgefahren und die Zurückweisungen gesteigert«, kündigt der CSU-Politiker gegenüber Bild am Sonntag an, noch in dieser Woche die Schotten dichtzumachen.
Zwar hätte kein einziger Anschlag der vergangenen Jahre durch verschärfte Grenzkontrollen verhindert werden können. Und soziale Probleme wie fehlender bezahlbarer Wohnraum und unzureichende Infrastruktur sind keine Folgen von Migration, sondern von Profitstreben des Kapitals bei der Privatisierung öffentlicher Daseinsvorsorge. Doch die Illusion von Sicherheit durch Abschottung gehört zu den Lieblingsnarrativen von rechtsaußen. Dabei merken selbst Polizeigewerkschafter an, dass es gar nicht genug Beamte gibt, um fast 4.000 Kilometer deutscher Außengrenzen dichtzumachen. Und die polnische Regierung mahnt Freizügigkeit im Schengen-Raum an, da bereits die bestehenden Kontrollen Verkehr und Handel behindern. Die Zurückweisung von Schutzsuchenden, für die es auf der Flucht in der Regel nur die Möglichkeit der illegalisierten Einreise gibt, verstößt zudem gegen internationales Recht. Doch um Praktikabilität oder Menschenrecht geht es Dobrindt und dem zukünftigen Kanzler Friedrich Merz offenkundig nicht bei der angekündigten Umsetzung einstmals originärer AfD-Programmatik.
Am Freitag hatte Bundesinnenministerin Nancy Faeser die Einstufung der AfD durch den Inlandsgeheimdienst als »gesichert rechtsextremistisch« bekanntgegeben. Dass die nur noch kommissarisch tätige SPD-Innenministerin ihrem designierten Nachfolger damit als letzte Amtshandlung ein vergiftetes Ei ins Nest gelegt hat, erscheint unwahrscheinlich. Viel eher dürfte es sich um ein abgesprochenes Manöver der zukünftigen Koalitionäre gehandelt haben, um Dobrindt nicht damit zu belasten. Die Ankündigung der bayerischen Landesregierung, nun den Umgang mit AfD-Mitgliedern im öffentlichen Dienst zu prüfen, lässt vermuten, dass der CSU die Brandmarkung ihrer Rechtsaußenkonkurrenz gut in den Kram passt.
»Rechts von der CDU/CSU darf es keine demokratisch legitimierte Partei geben«, hatte der CSU-Vorsitzende und bayerische Ministerpräsident Franz Josef Strauß bereits in den 80er Jahren den Kurs vorgegeben, als die als Rechtsabspaltung der CSU entstandenen »Republikaner« einige Achtungserfolge erzielten. Erreicht werden sollte das mit Übernahme von Positionen der extremen Rechten durch die Union als rechter Sammlungsbewegung. Strauß’ Erben greifen heute zur Doppelstrategie aus repressiver Einhegung rechter Mitbewerber bei gleichzeitigem Buhlen um deren Wähler. Von der Sozialdemokratie bekommen sie dabei Flankenschutz: Beim Verfassen des Koalitionsvertrages von Union und SPD saß die AfD im Punkt Migrationsabwehr als Ghostwriter mit am Tisch.
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