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Aus: Ausgabe vom 05.05.2025, Seite 8 / Ausland
Repression gegen Palästina-Bewegung

»Das Völkerrecht scheint dem Staat egal zu sein«

UK: Justiz wirft linken Studenten wegen Palästina-Reden »Terrorismusunterstützung« vor. Ein Gespräch mit Sarah Cotte
Interview: Dieter Reinisch
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Der »National March for Palestine« in London (25.11.2023)

Sie sind wegen öffentlicher Äußerungen zum Widerstandsrecht der Palästinenser gegen die völkerrechtswidrige Besatzung durch den Staat Israel erst festgenommen und schließlich mit einem Terrorismusverfahren überzogen worden. Wie kam es dazu?

Am 4. März wurde ich nach dem britischen Terrorismusgesetz, Paragraph 12, angeklagt. Dieser Paragraph stellt die Unterstützung von terroristischen Organisationen unter Strafe. Über ein Jahr zuvor, im Januar 2024, wurde ich verhaftet und meine Wohnung durchsucht. All dies steht im Zusammenhang mit einer Rede, die ich im Oktober 2023 vor meiner Universität gehalten habe.

Was haben Sie damals gesagt?

In meiner Rede betonte ich die Notwendigkeit, den palästinensischen Widerstand mit allen notwendigen Mitteln zu unterstützen. Das ist die Wortwahl, die wir auch im internationalen Recht finden: Die UNO und die Genfer Konvention beschreiben das Recht besetzter Völker auf Widerstand. Es scheint aber, als wäre das dem britischen Staat egal.

Neben Ihnen ist ein weiterer Student betroffen. Was wird ihm vorgeworfen?

Ich war am 4. März zur Vernehmung bei der Polizei geladen, und da wurde ich angeklagt. Ein Genosse und mein Anwalt begleiteten mich. Den Genossen haben sie an dem Tag auch verhaftet. Auch ihm wird eine Rede, die er gehalten hat, zur Last gelegt. Bisher wurde nur ich angeklagt. Das Strafmaß beträgt bis zu 14 Jahre. Wir sind aber beide in derselben Situation: Unsere mobilen Endgeräte wurden uns abgenommen und unsere Reisepässe konfisziert.

Weshalb sollen Ihre Äußerungen strafbar sein?

Mein Genosse soll eine Rede im November 2023 gehalten haben. Uns beiden wird vorgeworfen, den palästinensischen Widerstand zu unterstützen. Die Argumentationslinie ist: Wenn du den palästinensischen Widerstand unterstützt, dann unterstützt du automatisch die Hamas, die eine verbotene Terrororganisation in Großbritannien ist.

Die Repression gegen Palästina-Solidarität hat in vielen westlichen Staaten deutlich zugenommen. Wie ist die Situation im Vereinigten Königreich?

Ich komme ursprünglich aus Frankreich. Die Härte in Kontinentaleuropa ist nicht mit jener in Großbritannien zu vergleichen. Das liegt sicherlich auch daran, dass die herrschende Klasse hier fest im Sattel sitzt. In einem anderen Fall wurden 18 Mitglieder von »Palestine Action« festgenommen, die seit nunmehr über sieben Monaten in Untersuchungshaft sitzen. Auch gegen sie wird das »Terrorismusgesetz« verwendet, wie bei allen Palästina-Aktivisten. Das stammt aus den 1970ern und wurde ursprünglich gegen irische Republikaner eingeführt.

Labour stellt derzeit den Premierminister. Welche Rolle hat die Partei in diesen Fragen?

Es sprechen regelmäßig linke Labour-Abgeordnete auf den Protesten, obwohl Labour eine zionistische Partei ist. Sie könnte die britische Unterstützung für Israel und die Waffenlieferungen beenden, aber sie tut es nicht. Seit Beginn der zionistischen Bewegung hat Labour sie unterstützt. Sie war immer imperialistisch und rassistisch. Zuletzt haben sie Gesundheitsleistungen für Bedürftige gekürzt, um das Geld für zusätzliche Rüstungsausgaben zu verwenden. Arbeiter und Migranten sind davon am stärksten betroffen.

Premier Keir Starmer ist Ausdruck dessen. Bei Jeremy Corbyn (unabhängiges Mitglied im Unterhaus und ehemals Spitzenkandidat der Labour-Partei, jW) war zu erkennen, dass er wenig ändern konnte und sich doch mit dem Parteiestablishment arrangieren musste, um sich eine gewisse Zeit halten zu können.

Labour hat vor wenigen Monaten bekanntgegeben, die Exportlizenzen für Rüstungsgüter nach Israel zu kündigen.

Sie haben 30 Lizenzen von weit über 300 Ausfuhrlizenzen gekündigt. Mit solchen Schritten sollen die Kritiker ruhiggestellt werden. Darauf dürfen wir nicht hereinfallen.

Sarah Cotte studiert an der School of Oriental and African Studies (SOAS) in London und ist aktiv in der »Revolutionary Communist Group«

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