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Aus: Ausgabe vom 03.05.2025, Seite 11 / Feuilleton

Zum 1. Mai 2025

Von Andreas Paul

Bevor dann nachts die Barrikaden brennen

Zeigt sich der revolutionäre Zug

Am späten Nachmittag an sich erhaben

Die Straße ist recht breit, kein Auto stört

Man demonstriert den Zorn mit roten Fahnen

Und alte Fraun im Fenster lächeln müd

Was sind wir früher um die Blocks gerannt

Hejo hejo Ho Chi Minh, na klar

Doch die Genossen sind jetzt leider tot

Die damals jedem Wasserwerfer trotzten

Ihr Bild ist Asche und ihr Reden Staub.

*

Vergiss bloß nicht dir auch die rote Nelke

Am ersten Mai ins Knopfloch einzufädeln

Zu zeigen, dass das herrschende System

Dich mal am Arsch kann bis zur Wiederkunft

Eines realen Sozialismus wie

Am Mekong beispielsweise. Ho sei Dank.

*

Wir grasen hier doch den Planeten ab

Im Drang nach Absatz, Kauflust und Gewinn

Des wären graue Wolken eingeschreint

Zu Häupten andrer Völker, die verhungern.

*

Wir tun nicht mit beim dummen Kriegsgeschrei

Vernunft soll weltweit jeden Krieg beenden.

Die Menschheit starrt vor Waffen wie noch nie

Die bringen Dividenden und den Tod.

*

Jedoch die Freude überwiegt im Mai

Der Flieder blüht, betörend ist sein Duft

Die schönen Frauen in den Sommerkleidern

Lassen die Herzen hüpfen wie beim Tanz

Von gestern abend noch, Walpurgisfeuer

Am Tanzplatz wilder Hexen brannte loh.

*

Wir sind dem ersten Mai nichts schuldig als

Dass sie uns nicht im Sommer unterkriegen.

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