Zum 1. Mai 2025
Von Andreas PaulBevor dann nachts die Barrikaden brennen
Zeigt sich der revolutionäre Zug
Am späten Nachmittag an sich erhaben
Die Straße ist recht breit, kein Auto stört
Man demonstriert den Zorn mit roten Fahnen
Und alte Fraun im Fenster lächeln müd
Was sind wir früher um die Blocks gerannt
Hejo hejo Ho Chi Minh, na klar
Doch die Genossen sind jetzt leider tot
Die damals jedem Wasserwerfer trotzten
Ihr Bild ist Asche und ihr Reden Staub.
*
Vergiss bloß nicht dir auch die rote Nelke
Am ersten Mai ins Knopfloch einzufädeln
Zu zeigen, dass das herrschende System
Dich mal am Arsch kann bis zur Wiederkunft
Eines realen Sozialismus wie
Am Mekong beispielsweise. Ho sei Dank.
*
Wir grasen hier doch den Planeten ab
Im Drang nach Absatz, Kauflust und Gewinn
Des wären graue Wolken eingeschreint
Zu Häupten andrer Völker, die verhungern.
*
Wir tun nicht mit beim dummen Kriegsgeschrei
Vernunft soll weltweit jeden Krieg beenden.
Die Menschheit starrt vor Waffen wie noch nie
Die bringen Dividenden und den Tod.
*
Jedoch die Freude überwiegt im Mai
Der Flieder blüht, betörend ist sein Duft
Die schönen Frauen in den Sommerkleidern
Lassen die Herzen hüpfen wie beim Tanz
Von gestern abend noch, Walpurgisfeuer
Am Tanzplatz wilder Hexen brannte loh.
*
Wir sind dem ersten Mai nichts schuldig als
Dass sie uns nicht im Sommer unterkriegen.
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