»Die Geschichte wird uns recht geben«
Interview: Matthias Rude
Als die Firmenkontaktmesse »Connect« im April an Ihrer Schule stattgefunden hat, haben sie vor dem Bundeswehr-Stand ein Transparent mit der Aufschrift »Bildung statt Bomben« entrollt. Das sorgte für Schlagzeilen. Was hat Sie zu der Aktion motiviert?
Marian Müller: Es ist angsterregend: Die jüngste Verfassungsänderung hat unbegrenzte Gelder dafür freigemacht, Deutschland »kriegstüchtig« zu machen. In der Öffentlichkeit gibt es kaum eine kritische Auseinandersetzung mit den möglichen Konsequenzen. Deshalb wollten wir auf das Thema aufmerksam machen.
Daniel Rölz: An unserer Schule fehlt das Geld, um das dringend benötigte Wohnheim zu sanieren, auch müssen wir teils bis zu einem Jahr auf unsere BAföG-Bewilligung und unser Wohngeld warten – aber ein »Sondervermögen« für Aufrüstung kann aus dem Nichts geschaffen werden.
Wie lief der Protest ab?
D. R.: Wir haben mit pinken Luftballons begonnen, auf denen »Bundeswehr zum Kotzen« stand, und sie rund um den Stand verteilt. Wir hatten antimilitaristisches Informationsmaterial von der DFG-VK und der IMI (Informationsstelle Militarisierung, jW), das wir an Interessierte weitergaben. Abwechselnd führten wir Diskussionen mit den Soldaten, um ihre Aufmerksamkeit zu binden. Eine Lehrkraft warnte uns, dass die Direktorin wohl mit einem Schulausschluss gedroht hatte. Da verzichteten wir auf eine dauerhafte Blockade wie im Vorjahr, und entfalteten das Transparent nur kurz.
Wieso hat die Schule Sie dennoch vom 23. bis 30. April vom Unterricht ausgeschlossen?
M. M.: Ich denke, dass es mit der diesjährigen Medienpräsenz zu tun hat. Man könnte es ja auch positiv sehen, wenn Schüler sich mit tagespolitischen Themen auseinandersetzen, von denen sie direkt betroffen sind. Aber das sehen wohl nicht alle so.
D. R.: Als Schüler der Fachschule – ich bin zudem Schulsprecher – finden wir, dass uns ein Recht auf Meinungsäußerung zusteht. Es war eine Machtdemonstration der Schulleitung, vielleicht auch auf Druck mancher Lehrkräfte.
Wie fielen die Reaktionen aus?
D. R.: Es waren offene Anfeindungen. Es gab aber auch Verständnis und verbale Unterstützung. Leider haben sich die meisten dennoch nicht getraut aktiv mitzuwirken, aus Sorge vor Konsequenzen. Von einigen jungen Gästen wurden wir beschimpft und ausgelacht. Ihr Hauptargument war: »Der Russe wird uns bald angreifen.« Über die Auslandseinsätze der Bundeswehr wussten sie nichts – oder wollten nichts davon wissen.
Was bedeutete der Schulausschluss für Sie?
D. R.: Vier Wochen vor unserer Abschlussprüfung ist das schon problematisch, da wir prüfungsrelevanten Unterricht verpassten. Zudem müssen wir unsere Abschlussarbeit abgeben und dafür noch einige Baupläne am großen A0-Drucker in der Schule ausdrucken, was uns damit verwehrt wurde.
Wie stehen Sie grundsätzlich zur Bundeswehr und deren Präsenz in Schulen?
M. M.: Sie hat dort nichts verloren. Junge Menschen sollten dabei unterstützt werden, Wege zu finden, die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Der Dienst an der Waffe bewirkt das Gegenteil.
D. R.: Ich musste 2008 noch den Militärdienst verweigern, eine Wiedereinführung der Wehrpflicht sehe ich sehr kritisch. Die momentane Aufrüstung ist dafür da, kommende Kriege zu führen, und nicht, wie immer wieder behauptet wird, Frieden zu schaffen. Waffen können keinen Frieden schaffen. Wir sind auf einer weiterbildenden Schule, die meisten dort sind in der Lage, eigene Entscheidungen zu treffen. Aber dass die Bundeswehr auch an Schulen mit größtenteils minderjährigen Schülern wirbt, halte ich für gefährlich. Das sollte verboten werden!
Was würden Sie anderen raten, die sich widersetzen wollen?
D. R.: Traut euch, nutzt euer Recht auf Meinungsfreiheit und lasst euch nicht von Autoritäten einschüchtern. Noch können wir hier gegen Militär demonstrieren, ohne dafür eingesperrt oder umgebracht zu werden. Die Geschichte wird uns recht geben!
links & bündig gegen rechte Bünde
Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.
Mehr aus: Ausland
-
Friedensvertrag vor Abschluss
vom 03.05.2025 -
Seltene Erden gegen Waffen
vom 03.05.2025 -
Museum der Schande
vom 03.05.2025 -
Standhaft in Havanna
vom 03.05.2025 -
Atomverhandlungen stocken
vom 03.05.2025