Standhaft in Havanna
Von Volker Hermsdorf
Solidarität und Widerstand waren die zentralen Botschaften der diesjährigen Maikundgebungen in Kuba. Nach mehrjährigen Einschränkungen durch die Coronapandemie und den Treibstoffmangel waren am Donnerstag in allen Provinzen der Insel wieder Millionen Kubaner am traditionellen Kampftag der arbeitenden Bevölkerung auf der Straße. Allein in Havanna nahmen mehr als 600.000 Menschen an der größten Demonstration auf dem amerikanischen Doppelkontinent teil. Landesweit beteiligten sich nach Angaben der Gewerkschaftszeitung Trabajadores über 5,3 Millionen an verschiedenen Aktivitäten. Die Unterstützung der kubanischen Alternative zum westlichen Modell scheint trotz der schmerzhaften Folgen der US-Blockade ungebrochen.
»Wir leben, sind auf den Beinen, leisten Widerstand und bauen auf«, erläuterte Präsident Miguel Díaz-Canel das zentrale Motto »Für Kuba schaffen wir gemeinsam«. Seit sein Land sich zum ersten sozialistischen Staat der westlichen Hemisphäre erklärt habe, seien die imperialistischen Mächte entschlossen, »dieses Beispiel eines mutigen und kreativen Widerstands von der politischen Landkarte zu tilgen«, sagte er. Angesichts ständig verschärfter US-Sanktionen rief Kubas Staatschef dazu auf, die nationale Wirtschaft durch kollektive Zusammenarbeit wiederzubeleben.
»Lasst uns für die bessere Welt marschieren, die Kuba will und verdient. Gegen die Blockade und gegen die Rückkehr des Faschismus. Gegen den Völkermord in Gaza und gegen die stillen Völkermorde, die durch das Meer der Ungerechtigkeiten ausgelöst werden, das unsere Spezies bedroht«, so Díaz-Canel in seinem Maiaufruf. Neben Hunderttausenden kubanischen Werktätigen beteiligten sich rund 900 Mitglieder von 200 Gewerkschaftsorganisationen aus 30 Ländern und weitere Besucher an der Demonstration in Havanna, berichtete der über drei Millionen Mitglieder zählende Gewerkschaftsdachverband Central de Trabajadores de Cuba (CTC). Während Videos die beeindruckenden Zahlen auch in anderen Städten dokumentieren, zitierte das staatliche US-Propagandaportal Martí Noticias in offenkundiger Hilflosigkeit einen angeblichen »unabhängigen Gewerkschafter« aus Cienfuegos, der behauptete, die Teilnehmerschaft bestünde lediglich aus »Studenten, Kadetten, Wehrpflichtigen, wenigen Tourismusarbeitern und Komplizen der Kommunistischen Partei«.
»Wir feiern das Fest des Weltproletariats inmitten eines komplizierten internationalen Szenarios. Die Welt leidet unter einer gefährlichen imperialistischen Offensive mit neofaschistischen Ausdrucksformen, die versucht, das internationale System umzugestalten und dabei die Prinzipien der friedlichen Koexistenz und der souveränen Gleichheit zwischen den Staaten missachtet«, analysierte CTC-Generalsekretär Ulises Guilarte de Nacimiento in seiner Rede die anhaltende Feindschaft einiger Regierungen. Er verwies auf die negativen Auswirkungen der US-Blockade auf die Bevölkerung, die durch »die willkürliche Wiederaufnahme des Landes in die berüchtigte und einseitige Liste der angeblichen Förderer des Terrorismus« noch verschärft würden. Der Gewerkschaftsführer räumte ein, dass die Verbesserung von Arbeitsbedingungen und Löhnen nicht in dem Tempo erfolgte, das er sich wünsche. »Wir sind uns bewusst, dass es noch viel zu tun gibt, dass Prozesse zu organisieren sind, dass Verzerrungen und negative Tendenzen auszumerzen sind und nicht wenige bürokratische Haltungen, Methoden und Arbeitsstile mit Disziplin, Anstrengung, Kreativität und Wissen zu perfektionieren sind«, fügte er hinzu.
Wie der lateinamerikanische Sender Telesur berichtete, gingen auch in allen anderen Ländern Lateinamerikas Werktätige, Gewerkschafter und Mitglieder sozialer Organisationen für Arbeiterrechte auf die Straße. In den USA und Kanada allerdings nicht. Denn obwohl der Arbeiterkampftag an das sogenannte Heymarket-Massaker am 1. Mai 1886 in Chicago erinnert, wird der »Labor Day« in den beiden nordamerikanischen Staaten seit 1894 als offizieller Feiertag am ersten Montag im September begangen, auch dort zur Erinnerung an die historische Bewegung für den Achtstundentag.
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