Revolutionäre auf Rekordjagd
Von Max Grigutsch
Die historische Aufrüstung der BRD, die deutsche Unterstützung für das israelische Morden in Gaza, der Polizeimord an Lorenz A. – Anlässe boten sich zur Genüge, um zahlreich den Kampftag der Arbeiterklasse zu begehen. Am Donnerstag abend versammelten sich »weit über 30.000« Teilnehmer zur Revolutionären 1.-Mai-Demo in Berlin, wie das Bündnis am Freitag mitteilte. Meilensteine wurden nicht nur in der Hauptstadt gesetzt – Veranstalter in Nürnberg und Stuttgart meldeten am Donnerstag die größten Aufmärsche in der Geschichte der revolutionären Maidemos ihrer Städte. Auseinandersetzungen mit der Staatsgewalt wurden nur vereinzelt dokumentiert.
»Wir freuen uns sehr, mit so vielen gemeinsam gegen Krieg, Faschismus und Kapital auf die Straßen gegangen zu sein«, kommentierte die Pressesprecherin des Berliner Bündnisses, Rosa Hikmet, die »größte 1.-Mai-Demo, die es seit langem in Berlin gab«. Der Demozug habe zeitweise eine Länge von fast drei Kilometern gehabt, heißt es in der Pressemitteilung. Auch die Polizei sah sich offenbar genötigt, den Andrang zu würdigen. Ihren Angaben nach sollen 15.000 bis 18.000 Revolutionäre aufgelaufen sein; dem RBB gegenüber wollen die Beamten zwischenzeitlich 22.000 Teilnehmer gezählt haben.

Eine in einer Nebengasse versteckte, 15köpfige »Gegendemo« mit Israel-Flaggen fiel wohl kaum ins Gewicht. Quer durch die Maidemo zog sich indes die Solidarität mit Palästina. Tradierte Parolen, wie »Klasse gegen Klasse, Krieg dem Krieg«, wurden mit aktualisierter Dringlichkeit gerufen. Für Aufsehen sorgte der Antifablock mit einem Grußwort der als mutmaßliches Exmitglied der Roten Armee Fraktion inhaftierten Daniela Klette. Sie sprach ihre Solidarität »an alle in der Illegalität und in Gefangenschaft« aus. Hohen Besuch bekam die Demo indes von Karl Lauterbach. Bild berichtete am Freitag, der scheidende Bundesgesundheitsminister sei zuvor im Kino gewesen und beim Durchlaufen des Aufzugs als »Faschistenschwein« bezeichnet worden. Nach Informationen von junge Welt konnte der SPD-Politiker aber problemlos die Menge passieren.
Anders als in den Vorjahren hielt sich die Polizei größtenteils zurück. Dennoch seien laut »Gewerkschaft der Polizei« 50 Demonstranten wegen angeblicher Flaschen- und Böllerwürfe festgenommen worden. »Unser Einsatzkonzept für den 1. Mai ist voll aufgegangen«, erklärte die Berliner Innensenatorin Iris Spranger (SPD), wie dpa am Freitag berichtete. Das sei auf die große Zahl der Polizisten – 5.800 Beamte sollen im Einsatz gewesen sein – und ihre moderne Ausrüstung zurückzuführen. Anders bewerten die Demoveranstalter den Erfolg ihres Aufzugs. Es sei ihr Konzept, das aufgegangen sei. Ihre Inhalte seien vermittelt worden, heißt es in der Mitteilung von Freitag. Prügel setzte es auf der Zielgeraden dann doch noch, als Dutzende Beamte den Palästina-Block mit Fäusten bearbeiteten.

Andernorts verzeichneten die revolutionären Demos zum Tag der Arbeit ebenfalls hohe Teilnehmerzahlen. Dem NDR zufolge gingen in Hamburg rund 10.000 Linke auf die Straßen. Mit etwa 6.000 Teilnehmern war die Demo des Bündnisses »Wer hat, der gibt« die größte Versammlung der Hansestadt; weitere Demonstranten verteilten sich auf die Revolutionäre 1.-Mai-Demo der marxistisch-leninistischen Gruppe Roter Aufbau und auf einen Aufzug des anarchistischen Bündnisses »Schwarz-Roter 1. Mai«. In Frankfurt versammelten sich unter dem Motto »1.000 Krisen, eine Antwort: Sozialismus« über 3.000 Demonstranten, obwohl die Polizei die angemeldete Route blockierte, wie die Veranstalter am Donnerstag abend mitteilten. Auf Rekordkurs: In Nürnberg war die Demo mit 4.700 Teilnehmern »deutlich größer als je zuvor«, so die Gruppe Organisierte Autonomie am Donnerstag. Gleiches gilt für die Versammlung in Stuttgart, deren Veranstalter in einer Mitteilung von Donnerstag mit 1.700 Revolutionären die »größte Beteiligung seit der ersten Demonstration 2004« verbuchten. Bundesweit gab es nach Aufzählung der linken Zeitung Perspektive Online »revolutionäre Aktionen in über 40 Städten«.
Hielt sich die Staatsgewalt in den Augen der Öffentlichkeit zurück, nutzte sie den 1. Mai jedoch für Aktionen am Rande. Mit mindestens fünf Mannschaftstransportern – erkenntlich in einem Video, dass die Young Struggle auf der Internetplattform Instagram veröffentlicht hat – seien Beamte am Donnerstag abend in ein Nachbarschaftszentrum in Berlin-Neukölln eingedrungen, in dem sich Demonstranten nach der Maidemo versammelt hatten. Das erklärte die Jugendorganisation in einer Mitteilung am Freitag. Die Einsatzkräfte hätten Pfefferspray eingesetzt und vier Personen festgenommen. In Gelsenkirchen schützten die Beamten außerdem eine rechte Demonstration vor linken Aktivisten, 20 Personen wurden kurzfristig festgenommen.
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