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Aus: Ausgabe vom 02.05.2025, Seite 14 / Medien
MDR-Doku CG-Gruppe

Faules Ei im TV-Studio

Öffentlich-Rechtliche und ihr Hype um einen Immobilienmogul: MDR beleuchtet Methoden Christoph Gröners, doch Leerstellen bleiben
Von Michael Merz
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»Wie blöd seid ihr denn, wie dumm seid ihr denn?«: Christoph Gröner beim Richtfest in der Rigaer Straße in Berlin (2019)

Der Mann hat sich das Image des Machers verpasst. Doch das war nicht von Dauer, wie bereits auf dem Zenit seines »Schaffens« zu erahnen war. Vor einigen Jahren kam kaum ein Fernsehzuschauer drum herum, die Selbstdarstellung des Christoph Gröner in Talkshows und Dokus ertragen zu müssen. Wie bei einem Verkehrsunfall war es schwer, einfach wegzusehen: Der »Immobilienentwickler« konnte sich mit seinem Firmennetzwerk als vermeintlicher Leistungsträger der Gesellschaft mit Hilfe der ARD in aller Ausführlichkeit präsentieren: Gröner, der mit der dicksten Hose. Wer arm ist, ist selbst schuld.

Etwas war faul in der CG-Gruppe, dem Staate des Bosses, der in seinem Auftritt immer etwas aus der Zeit gefallen schien. 2024 wurde dann klar: Gröners Imperium steckt in der Patsche. Und in diesem Frühjahr kam es ganz dick: neun Insolvenzverfahren gegen einzelne seiner Firmen, Razzia, Verdacht auf Insolvenzverschleppung und Veruntreuung. Der Staatsanwalt ermittelt. MDR-Reporter unter der Ägide des altgedienten TV-Journalisten Jörg Wildermuth haben nun verdienstvollerweise Mieter, Architekten, ehemalige Mitarbeiter und Handwerker aufgetan, die von den mutmaßlich zwielichtigen Methoden Gröners berichten.

Während es die Spatzen seit Jahren von den Dächern seiner Häuser pfiffen, dass da noch einige Rechnungen in nicht endgültig bezifferter Höhe offen sind, konnte Gröner die Show des Selfmademan mit Luxusfuhrpark, Learjet und Charity-Wohlwollen jahrelang fortführen. Der großspurige Herr mit der Schmalztolle ist mittlerweile ziemlich kleinlaut – vor die Kamera ist er nicht mehr zu bekommen. Sein Anwalt beantwortet die Fragen des MDR in der »Exactly«-Doku »Immos, Porsches, Polizei – Absturz eines Immobilienmillionärs«, die vergangene Woche das Bild zurechtrückte. Sie ist in der ARD-Mediathek abrufbar.

Im Phoenix-Talk schöpfte der Immohai 2019 noch aus dem Vollen: »Da zu sein, wo ich heute bin, hat ja damit zu tun, dass ich schneller aufstehe, dass ich vielleicht mutiger bin an der einen oder anderen Stelle.« Bei »Hart aber fair« hatte er – zu diesem Zeitpunkt war er für die vielbeachtete Doku »Ungleichland« relativ unkritisch begleitet worden – gebarmt: »Die Reichen verstecken sich, das bestärkt die Neiddebatte«. Und: »Wir sollten deutlich machen, dass wir eine wichtige Rolle haben.« Macht, die er sich nicht scheute, vor der Kamera unter Beweis zu stellen. Als er in Köln eine Baugenehmigung nicht schnell genug bekam, drohte er in Richtung der Oberbürgermeisterin, er könne ja nach Düsseldorf gehen. Sich gegen Gentrifizierung auflehnenden Anwohnern der Rigaer Straße in Berlin schleuderte Gröner von einer Bühne entgegen: »Wie blöd seid ihr denn, wie dumm seid ihr denn?« und sagte dem WDR, das sei »das verblödete Denken, das in der Gesellschaft vorherrscht – da hat einer Geld verdient und ist vermögend geworden und das hat er einem anderen geklaut.«

Für blöd verkauft fühlten sich zu Zeiten seiner großen Auftritte tatsächlich bereits einige verprellte Geschäftspartner. Sie fragten sich, wie eine derartige öffentlich-rechtliche Welle möglich ist. Mit 70 Menschen habe das MDR-Team gesprochen. Einige kommen vor die Kamera. Für geleistete Arbeit seien sie nicht bezahlt worden, erklären viele. Außenstände von fünf- bis sechsstelligen Summen. Mieter seien ebenso Leidtragende, Energiekosten nicht an die Leipziger Stadtwerke weitergeleitet worden, Heizungen blieben kalt. Für Gröners Anwalt »strittige Forderungen«, die Dementis sind zahlreich. Ein Abrissunternehmer berichtet, er habe Aufträge gar nicht erst angenommen, weil andere Firmen die Zahlungsmoral Gröners bereits beklagt hätten. »Wieso haben die Journalisten da nicht nachgefragt«, empört sich jener.

So notwendig die neue MDR-Doku ist, so schmerzt doch eine Leerstelle. Nicht zur Sprache kommen die vielfältig gezogenen Strippen in die Politik. Etwa die ehemaligen CDU-Politiker und Superlobbyisten wie Roland Pofalla und Günther Oettinger, die im Immoimperium in verantwortlicher Position mitschafften. Und Gröners Großspenden an CDU und FDP sind völlig unstrittig. Aber die MDR-Kollegen versprechen ja Fortsetzung. Sei’s drum.

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