Drohung zum 9. Mai
Von Reinhard Lauterbach
Die Ukraine droht Russland indirekt mit einem Angriff auf die bevorstehende Siegesparade am 9. Mai. Präsident Wolodimir Selenskij sagte am Mittwoch abend, Russland fürchte »zu Recht« einen solchen Schlag gegen das symbolische Ereignis. Der Vorsitzende des Parlamentsausschusses für Nationale Sicherheit, Roman Kostenko, sagte, die Armee sei zu einem solchen Angriff technisch bereit, wenn sie den Befehl hierzu erhalte. Derselbe Kostenko hatte vor einigen Tagen auch gesagt, die Ukraine behalte sich auch dann das Recht zu Drohnenangriffen auf das russische Hinterland vor, wenn für die Front ein Waffenstillstand vereinbart werden sollte.
Den Vorschlag Russlands für eine dreitägige Waffenruhe vom 7. bis zum 10. Mai lehnte Selenskij ab. Wenn, dann müsse eine solche Waffenruhe mindestens 30 Tage dauern, besser noch zwei oder drei Monate. Der US-Propagandasender Radio Liberty hatte Ende April unter Berufung auf »europäische Diplomaten« berichtet, Selenskij wolle mit seinem Vorschlag einer längeren Waffenruhe insbesondere Zeit gewinnen, damit Truppen aus EU-Ländern und Großbritannien eine Kontrolle über den Luftraum der westlichen Ukraine einrichten und den Flughafen von Lwiw als Umschlagplatz für Nachschub vorbereiten könnten. Allerdings sehen sich die EU-Staaten, die an der Mission teilnehmen wollen, vor der Schwierigkeit, dass die USA zumindest bisher nicht bereit sind, den Schutz von Artikel 5 des NATO-Vertrags auf eine solche »Stabilisierungsmission« auszudehnen.
In der Nacht zum Donnerstag griffen russische Drohnen die Städte Odessa, Charkiw und Dnipro an. In Odessa wurden zwei Menschen getötet, in Charkiw einer. Wenige Stunden danach kamen am Donnerstag vormittag beim Einschlag einer Drohne auf dem zentralen Marktplatz der Stadt Oleschki im russisch besetzten Teil des Bezirks Cherson sieben Menschen ums Leben, 20 weitere wurden verletzt. Russland beschuldigte die Ukraine, den Angriff verübt zu haben; Kiew nahm bis zum Mittag keine Stellung zu dem Vorfall. An der Front machen die russischen Truppen weiter kleinere Geländegewinne, vor allem südöstlich der Stadt Kostjantiniwka im Donbass.
Währenddessen haben die Ukraine und die USA das seit Monaten umstrittene Rohstoffabkommen offenbar unterzeichnet. Unklar blieb allerdings bisher, ob es sich nur um eine erneuerte Version des Rahmendokuments vom Februar handelt oder ob es konkretere Vereinbarungen gibt. Einstweilen spricht einiges für das erstere. Dabei sind die Konditionen offenbar für Kiew günstiger geworden: Die USA haben offenbar davon abgesehen, die Militärhilfe unter Präsident Joe Biden als fiktiven US-Beitrag für den zu gründenden Investitionsfonds in Rechnung zu stellen. Sie halten sich aber offen, künftige Waffenlieferungen an Kiew auf das Abkommen anzurechnen. Damit ist implizit gesagt, dass diese Lieferungen weitergehen sollen, nur nicht mehr als Spende, sondern als Verkauf. Auch die zeitlich unbegrenzte Dauer des Vertrags wurde auf zehn Jahre eingegrenzt; danach könnte die Ukraine mit ihren Rohstoffen theoretisch wieder machen, was sie will. Allerdings verlangen die USA ein Vorkaufsrecht auf alle neu zu vergebenden Rohstoffkonzessionen und auf die dort zu gewinnenden Produkte. Unklar bleibt unter diesen Voraussetzungen, ob der Vertrag mit den Absichten der Ukraine, der EU beizutreten, vereinbar ist.
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