Duterte in Den Haag
Von Rainer Werning
Seit Mittwoch abend befindet sich ein Prominenter in den Den Haager Gefängniszellen: der ehemalige philippinische Präsident Rodrigo R. Duterte. Bereits an diesem Freitag muss er sich in einer ersten Anhörung vor dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) verantworten. Am 7. März war ein internationaler Haftbefehl gegen ihn ausgestellt worden, der am Dienstag mit Hilfe von Interpol-Beamten vollstreckt wurde. Noch am selben Abend wurde der 79jährige mit einem Charterflugzeug via Dubai in die Niederlande ausgeflogen.
Als Hauptanklagepunkte werden ihm Verbrechen gegen die Menschheit im Zusammenhang mit außergerichtlichen Tötungen vorgeworfen. Diese wurden vor allem während seiner sechsjährigen Präsidentschaft von 2016 bis 2022 im Zuge des von ihm entfesselten »Kriegs gegen Drogen« begangen. Menschenrechtsorganisationen schätzen, dass dabei bis zu 30.000 Menschen getötet wurden – willkürlich und systematisch ermordet, weil sie vermeintlich Drogen besaßen oder nahmen. Offiziellen Statistiken der philippinischen Nationalpolizei zufolge wurden im »Drogenkrieg« mehr als 6.000 Filipinos getötet. Das Gros der Opfer waren städtische Arme; nur wenige Fälle wurden überhaupt aufgeklärt.
Der IStGH hatte bereits im September 2021 erste Ermittlungen gegen Duterte wegen möglicher Verbrechen gegen die Menschheit eingeleitet, als dieser noch Bürgermeister von Davao City auf der südlichen Hauptinsel Mindanao war. Dabei ging es um den Zeitraum vom 1. November 2011 bis zum 16. März 2019. Die Richter betonten bereits damals, der »Krieg gegen Drogen« könne nach vorliegenden Fakten nicht als »legitime Strafverfolgung« angesehen werden. Die Tötungen seien weder legitim, noch schienen sie »Auswüchse eines legitimen Einsatzes« zu sein. Alle vorgelegten Dokumente deuteten vielmehr darauf hin, dass es »um eine breite und systematische Attacke gegen die Zivilbevölkerung« gehe.
Die Philippinen reagierten prompt und verweigerten Ermittlern des IStGH die Einreise ins Land. Mehr noch: Duterte zeigte sich dermaßen erbost, dass er – weniger als zwei Jahre als Präsident im Amt – im Frühjahr 2018 den Rückzug seines Landes aus dem Gericht erklärte. Dieser wurde am 17. März 2019 rechtskräftig, wenngleich der Strafgerichtshof gemäß dem Römischen Statut als Grundlagenvertrag auch danach für jene Verbrechen zuständig bleibt, die in der Zeit begangen wurden, als die Philippinen noch Vertragsstaat waren.
Noch vor der Landung auf dem Flughafen Rotterdam/Den Haag veröffentlichte Duterte auf seiner Facebook-Seite eine Videoerklärung, in der er sich an seine Landsleute wandte und versicherte: »Ich bin derjenige, der unsere Strafverfolgungsbehörden und das Militär anführte. Ich habe gesagt, dass ich euch beschützen werde, und ich werde für all das verantwortlich sein.« Bereits im November 2024 hatte sich der Expräsident anlässlich von Anhörungen im philippinischen Repräsentantenhaus sowie im Senat zum »Drogenkrieg« bekannt. Vorgetragen in der ihm eigenen schnoddrig-arroganten Weise bar jedweder Reue.
Bekanntlich ist des einen Leid des anderen Freud. Für die Hinterbliebenen der Opfer von Dutertes »Drogenkrieg« sowie zahlreiche Menschenrechtsorganisationen war der 11. März ein Tag großer Genugtuung. Human Rights Watch (HRW) erklärte in einer am selben Tag veröffentlichten Pressemitteilung: »Die Verhaftung des ehemaligen Präsidenten Duterte und seine Überstellung nach Den Haag ist ein längst überfälliger Erfolg im Kampf gegen die Straflosigkeit, mit dem die Opfer und ihre Familien der Gerechtigkeit ein Stück näher kommen.« Aus dem chinesischen Außenministerium hieß es hingegen, dass der IStGH »Doppelstandards« und »Politisierung« vermeiden und das Prinzip der Komplementarität wahren solle. Dieses besagt, dass der Strafgerichtshof nur dann zuständig ist, wenn nationale Behörden nicht tätig werden.
Tatsächlich hat auch die aktuelle Regierung unter Ferdinand Marcos Jr. ein Interesse, das Oberhaupt des rivalisierenden Duterte-Clans »aus dem Weg zu räumen«. Dies erklärt auch die Zusammenarbeit mit Interpol, obwohl die Philippinen dem Römischen Statut nicht wieder beigetreten sind.
links & bündig gegen rechte Bünde
Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.
Ähnliche:
- Eloisa Lopez/REUTERS25.03.2021
»Im ›Antidrogenkrieg‹ wurden Tausende umgebracht«
- Bullit Marquez/AP Photo, File06.10.2018
Mobilmachung gegen Kommunisten
- EPA/STR/dpa-Bildfunk11.08.2016
Angeordnetes Morden
Regio:
Mehr aus: Ausland
-
Protest in goldener Lobby
vom 15.03.2025 -
Häuser trotz Ramadans zerstört
vom 15.03.2025 -
Sternmarsch auf Belgrad
vom 15.03.2025 -
Beirut wird erpresst
vom 15.03.2025