Langsam drehende Zeitenwende
Von Lucas ZeiseZunächst eine Fußnote: Blackrock, der größte Vermögensverwalter der Welt, zieht sich aus »Net Zero Asset Managers« (NZAM) zurück. Wer oder was ist NZAM? Antwort: ein internationaler Club menschenfreundlicher Finanzinstitute, die sich dem Ziel verpflichten, die Emission von klimaschädlichen Treibhausgasen bis 2050 oder früher auf null zurückzuführen. Im Bericht der Financial Times (FT) dazu wird der Rückzug als Folge des anstehenden Wechsels im Amt des US-Präsidenten interpretiert. Wir konstatieren also die gewisse Anpassungsbereitschaft des großen Geldes (Blackrock »verwaltet« derzeit 11,5 Billionen US-Dollar) gegenüber der Politik. Die New Yorker Firma betont allerdings, dass ihr Abschied von NZAM nichts an der Art und Weise ändert, wie »wir unsere Produkte und maßgeschneiderten Lösungen für unsere Kunden entwickeln und ihre Portefeuilles verwalten«. Das beruhigt uns Klimaschützer doch erheblich. Andererseits soll Blackrock laut FT im vergangenen Jahr in den Hauptversammlungen der Unternehmen, in denen es das Stimmrecht für seine Kunden ausübt, nur noch in vier Prozent der Fälle Anträge für Umweltschutz oder soziale Fragen unterstützt haben, während es 2021 noch 47 Prozent waren. Es bleibt vorerst offen, ob der marktführende Finanzverwalter Vorreiter oder nur sich anpassende Nachhut bei der Aufgabe der Klimaziele ist.
Ähnlich die Frage am Abend zuvor, als ein trauter Diskussionszirkel bei Markus Lanz im Seniorenkanal ZDF die vom künftigen US-Präsidenten geäußerten Wünsche zur Übernahme der Panamakanalzone und Grönlands erörterte. Dass dies Imperialismus, eine gezielte Missachtung des Völkerrechts und insofern eine weitere Zeitenwende sei, darüber war sich der Kreis einig. Und auch darin, dass es sich im Falle Grönlands um eine besonders bedenkliche Drohung gegen einen NATO-Partner handele.
Zustimmung gab es für die US-Politik aber auch. Veronika Grimm, Mitglied im Sachverständigenrat und seit vergangenem Jahr Professorin »für Energiesysteme und Marktdesign« an der Technische Hochschule Nürnberg, lobte in bewegenden Worten die dank Fracking und gezielter Nichtberücksichtigung von Umweltschutz seit Jahren kräftig expandierende Ölproduktion in den USA. Das Land ist heute vor Russland und Saudi-Arabien der größte Erdölproduzent des Globus. Grimm hatte zusammen mit Lanz den ebenfalls anwesenden Kovorsitzenden der Grünen, Felix Banaszak, schnell so weit, dass er der Ölförderung durch Fracking notfalls auch in Deutschland zustimmen werde, so wie seine Grünen ihre Prinzipien ja bereits 2022 angesichts zwingender Umstände schwungvoll über Bord geworfen hätten.
Kleine Schlussfolgerung: Die Zeitenwende verläuft als langsame Drehung. Klimaziele wurden vom Finanzkapital verfolgt, sofern sich damit das Image der Menschenfreundlichkeit und vor allem höhere Renditen erzielen ließen. Der gemeine Bruch des Völkerrechts, um die Kontrolle über die Erdölproduktion zu erhalten, hat für die führende imperiale Nation Tradition. Der Eroberungskrieg gegen Irak und Libyen, sowie die Sanktionen gegen Iran, Venezuela und Russland sind der Beleg dafür.
Unser Autor ist Finanzjournalist und Publizist. Er lebt in Aachen.
Solidarität jetzt!
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.
Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!
Mehr aus: Kapital & Arbeit
-
Dietmar Dath: KI ist mehr als Technik, es ist eine Neuformierung der Ausbeutung
vom 11.01.2025 -
»Wie in einer Frittenbude, das ist absurd«
vom 11.01.2025 -
China setzt auf sich selbst
vom 11.01.2025