Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025
Gegründet 1947 Mittwoch, 11. Dezember 2024, Nr. 289
Die junge Welt wird von 2993 GenossInnen herausgegeben
Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025 Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025
Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025
Aus: Ausgabe vom 19.10.2024, Seite 8 / Ansichten

Verzweiflungsdrohung

Aufbau von Atomwaffen in der Ukraine
Von Reinhard Lauterbach
NATO-DEFENCE-ZELENSKIY.JPG
Ernst gemeint kann die Drohung mit einem eigenen Atomprogramm nicht sein (Brüssel, 17.10.2024)

Wolodimir Selenskijs großspurig angekündigter »Siegesplan« ist in Wahrheit ein ziemlich kleinlauter Konkursverschleppungsplan. Alle offiziellen Adressaten haben schon abgewinkt, als er die sofortige Einladung der Ukraine zur NATO-Mitgliedschaft, den Abschuss russischer Raketen und Drohnen von NATO-Staaten aus und die Stationierung einer »nichtnuklearen Abschreckungskomponente« auf ukrainischem Boden verlangte und erklärte, alles hänge jetzt von der Bereitschaft der westlichen Partner ab, den Plan zu unterstützen. Das bedeutet nämlich im Umkehrschluss, dass von der Ukraine nichts mehr abhängt, weil sie bald nichts mehr beizutragen haben wird, bis auf immer schlechter ausgebildetes Kanonenfutter.

Und eine Drohung, die Selenskij jetzt beim EU-Gipfel und beim Treffen mit den NATO-Verteidigungsministern erneut aus der Tasche gezogen hat: Wenn die NATO die Ukraine nicht aufnehme, sei sein Land gezwungen, sich neue Atomwaffen zu bauen. Das gehe notfalls binnen Wochen.

Aber eine Frage von Wochen ist der Bau einer Atombombe mitnichten. Man braucht nicht nur ein paar Formeln aus dem Lehrbuch der Kernphysik. Man braucht auch Fachleute, waffenfähiges Uran und eine Anreicherungsanlage dazu, außerdem Trägersysteme. Für nichts davon gibt es Anhaltspunkte, es sei denn einen: Im Februar 2022, Tage vor Kriegsbeginn, hatte Selenskij auf der Münchener »Sicherheitskonferenz« schon einmal mit einer Wiederbelebung des ukrainischen Atomprogramms gedroht; das war einer der Gründe, die Wladimir Putin in seiner Rede zur Eröffnung der Kampfhandlungen ausdrücklich nannte. Vor diesem Hintergrund ließe sich Selenskijs jetzt wiederholte Äußerung in dem Sinne deuten, dass die Ukraine insgeheim seit Jahren an einem Atomwaffenprogramm gearbeitet haben muss und die USA, denen es sonst angeblich so sehr auf die Nichtverbreitung ankommt, dies stillschweigend hingenommen hätten. So, wie sie es auch im Falle Israels geduldet haben.

Wahrscheinlicher ist bis zum Beweis des Gegenteils, dass der gelernte Schauspieler Selenskij sich auf sein Talent zum Chargieren verlassen hat. Ein unberechenbarer und dazu noch atomar bewaffneter Alliierter im heißen Krieg sollte das letzte sein, was die USA brauchen, gerade weil der Ukraine-Krieg für sie ein Stellvertreterkrieg ist, also nicht aus dem Ruder laufen darf. Dass Washington bisher kein Machtwort einlegte, könnte darauf hindeuten, dass die USA Selenskijs Drohung nicht wirklich ernst nehmen. Andernfalls stünde die Frage im Raum, wer hier eigentlich mit dem Atomkrieg spielt.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!

  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Ulf G. aus Hannover (25. Oktober 2024 um 13:04 Uhr)
    Auf die neuerliche ukrainische Drohung mit atomarer Wiederaufrüstung hat der Westen mit deutlicher Ablehnung reagiert. Selenskij wurde genötigt zu erklären, »dass die Ukraine nie über die Vorbereitung der Produktion von Atomwaffen oder den Bau einer Atombombe gesprochen« habe (https://de.euronews.com/my-europe/2024/10/19/will-die-ukraine-wirklich-atomwaffen). Das war zwar glatt gelogen, insofern es diverse ukrainische Drohungen mit einer atomaren Wiederbewaffnung gibt, etwa auch vom ukrainischen Botschafter in Deutschland Melnyk im Frühjahr 2021. Bemerkenswert bleibt aber dennoch der neue westliche Druck auf die Ukraine zur Unterlassung solcher Drohungen, ein Druck, den ich nach Selenskijs Nukleardrohung auf der Münchener Sicherheitskonferenz 2022 vermisst hatte. Damals ist zumindest in der Presse Selenskijs Atomdrohung weitgehend totgeschwiegen und die russische Angst davor als Spleen Putins dargestellt worden. Dabei hat Russland gute Argumente, dass die ukrainische Nukleargefahr nicht kleingeredet werden sollte. Gestern hat der im Westen verfemte Dienst RT gemeldet, dass die Ukraine durchaus noch über Fähigkeiten zur Herstellung einer Atombombe verfüge, etwa genügend Plutonium für so einen Zweck vorrätig habe. Wie auch immer, wer mit der Bombe droht, sollte damit rechnen, dass diese Drohung ernst genommen wird. Wer in Permanenz das Verhandlungsgebot der Minsker Abkommen mit Füßen tritt und statt dessen immer wieder täglich vielhundertfach den Waffenstillstand bricht und immer wieder die Absicht zum Krieg gegen Russland bekundet, darf sich nicht wundern, wenn er diesen Krieg auch geliefert bekommt. Wenn der Westen nun vielleicht doch vorübergehend gelernt hat, dass man nicht endlos immer wieder provozieren sollte, dann wäre das zumindest ein kleiner positiver Effekt des Krieges.

Ähnliche:

  • Advokat der strategischen Abschreckung: Russlands Präsident Wlad...
    08.07.2023

    Warum der Krieg weitergeht

    Debatte. Die Ukraine wird zu einem militärischen Vorposten der USA und der NATO ausgebaut. Moskau ist daher bereit, den Krieg noch Jahre fortzuführen
  • Heute sind Militarismus und Kriegsfanatismus etwas ganz anderes ...
    24.05.2023

    Im Schützengraben

    Formierung der Kriegsmoral. Was sich aus dem Krieg Russlands gegen die Ukraine und der westlichen Verteidigung lernen lässt

Regio:

Mehr aus: Ansichten

                                                 Heute 8 Seiten extra – Beilage zum Thema: Migration