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Aus: Ausgabe vom 24.05.2024, Seite 16 / Sport
Rodeo

Ein wahrer Sportsmann

Das Saisonfinale der PBR-Weltserie im Bullenreiten in Arlington, Texas
Von Maximilian Schäffer
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Ganz oben: Cassio Dias reitet zur Weltmeisterschaft

Ob es spannend war? Insofern man sich seit mindestens einem halben Jahr wöchentlich mit den Regeln, Ranglisten, Land und Leuten des US-amerikanischen Rodeosports beschäftigt: Ja. Für den Rest der Welt hopsten nur mal wieder schmale Jungs auf muskulösen Stieren durch eine Manege. Und letztere war diesmal besonders eindrucksvoll. Nach den Vorrunden in Fort Worth fand das Finale der Weltserie im professionellen Bullenreiten der PBR (Professional Bull Riders) in Arlington, Texas, statt. Rodeo ist seit dem Jahr 1997 offizieller »state sport« des Bundesstaats – wenn nicht hier, wo sonst? Im AT&T Stadium spielt für gewöhnlich das Footballteam der Dallas Cowboys in der NFL, zudem fanden dort ein Super Bowl (XLV im Februar 2011) und zweimal eine Wrestlemania statt. 80.000 Sitzplätze machen das Stadion zum größten im Ligabetrieb des US-Profisports. Je nach Veranstaltung quetschen sich bis zu 108.000 Menschen rein. Nur Collegestadien sind größer.

Die Ranglisten und Regeln also besagten Folgendes: Cassio Dias ging als klarer Spitzenreiter in die Endkämpfe. 560,5 Wertungspunkte setzten den 22jährigen Brasilianer ab vom Weltranglistenzweiten, dem 18jährigen John Crimber aus Texas. Schnell war klar, dass die beiden Rookies die Sache unter sich ausmachen würden. Der stille Leistungsträger gegen den Liebling der Damen, der Fans und der Liga. Vier Eliminationsrunden gab es zu bestehen, vier geifernde Zuchtbullen also, die zur Kür mindestens acht Sekunden lang einarmig geritten werden mussten. Der Gewinner des Events kassierte zudem 400 Extrapunkte für die Rangliste. In der dritten Vorrunde sah es beinahe so aus, als wäre Dias’ Dominanz an ein jähes Ende gekommen. Norse God, ein besonders aggressives Tier, warf ihn in den Staub und trampelte dem schmächtigen Mann direkt ins Kreuz. Der blieb erst mal liegen. Crimbers Aussichten auf den Titel hatten sich für einen Moment erheblich verbessert.

Von unschätzbarem Wert

Halbwegs blamabel war das Ausbleiben der über Monate hinweg gehypten Showeinlage, sozusagen das Hinterwäldleräquivalent einer Super-Bowl-Halbzeitshow. Mit großem Trara hatte man angekündigt, dass der ehemalige UFC-Kampfsport-Star Donald »Cowboy« Cerrone auf dem Bulleninvestment seines ehemaligen Bosses namens Dana White’s Twisted Steel reiten würde. Pustekuchen: Angeblich riss sich der zarte MMA-Gladiator beim Training am Vieh den gesamten Bizeps vom Knochen. Authentische Fotos zeigten ihn grün und blau von oben bis unten.

Was ein echter Champion ist, lässt sich aber nicht einmal von wesentlichen Blessuren beeindrucken. Pünktlich zur Endrunde saß Cassio Dias wieder auf den Rinderrücken. Crimber aber wuchs über sich hinaus. In der dritten Hauptrunde lieferte er auf Big Bank den Ritt des Jahres zu unglaublichen 95 Punkten, stand zwischenzeitlich auf dem Spitzenplatz, während Dias mit einer lediglich soliden Leistung den achten Platz innehielt. Die letzte Runde sollte alles entscheiden. Würde Crimber hier einen gültigen Ritt einfahren und somit die 400 Extrapunkte zum Gesamtsieg einsacken, hätte er auch die Spitze der Weltrangliste erklommen und somit den Titel im Ledertäschchen. Ricky Vaughn – der Bulle – und Sage Steele Kimzey – der Mensch – taten ihm den Gefallen nicht. Das Tier warf Crimber in den Staub. Kimzey gewann das Event. Crimbers Enttäuschung war endlos. Er trat wütend gegen das Gatter und war den restlichen Abend nicht mehr ansprechbar.

Auch Cassio Dias hatte keine Worte mehr. Den endgültigen Gewinn der Weltmeisterschaft sowie des Titels »Rookie of the Year« kommentierte er mit »Es ist nur Gott, Gott, Gott!« Paulo Crimber, der Vater des Vizemeisters, übersetzte aus dem Portugiesischen und freute sich trotz des frustrierten Sohnes für den bescheidenen Kollegen. Der Weltsieger bekam irgendein Gemisch aus mexikanischem Bier und einem US-Energy-Drink (beides Hauptsponsoren) in den Pokal gekippt und durfte nippen. Seine Frau kam angerannt, umarmte den wortkargen Brasilianer und seinen riesigen, auf eine Million US-Dollar dotierten Scheck.

Auch das schönste, brutalste, athletischste Tier wurde gekrönt. Kaum einen überraschte es, dass der Albinobulle Man Hater und somit auch seine Besitzer Jane Clark und Gene Owen ausgezeichnet wurden. Man Hater erzielte die höchste durchschnittliche Wertung aus acht erfolgreichen Abwürfen. Er war stets steil gesprungen, hatte sich schnell gedreht und geschüttelt und dabei kaum jemanden verletzt. Ein wahrer Sportsmann. Zehn Jahre lang hatten Owen und Clark nach einem Weltmeistervierbeiner gesucht. Jetzt haben sie ihn. Man Haters Aktien, sein Sperma also, ist nun von unschätzbarem Wert.

Das Spektakel endet nie

Liebe Leser, Sie haben noch nicht genug von sexy Cowboyknaben, brutalen Bullen, erzkonservativen Bauern, milder Tierquälerei, amoralischen Sponsoren, gekauften Arenen und der ganzen restlichen Verelendung im Hinterland der USA? Wie in jedem modernen Sportzirkus so üblich, endet das Spektakel nie. Im Anschluss an die Weltmeisterschaft beginnt bereits am 12. Juli der Teamwettbewerb der Bullenreiter in Oklahoma City.

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