Jetzt zwei Wochen gratis testen.
Gegründet 1947 Sa. / So., 15. / 16. Juni 2024, Nr. 137
Die junge Welt wird von 2788 GenossInnen herausgegeben
Jetzt zwei Wochen gratis testen. Jetzt zwei Wochen gratis testen.
Jetzt zwei Wochen gratis testen.
Aus: Ausgabe vom 24.05.2024, Seite 6 / Ausland
Marokko

Unerbittliche Verfolgung

Marokko: 82jähriger früherer Menschenrechtsminister erneut vor Gericht
Von Jörg Tiedjen
96068755.jpg
So kannte man ihn vor seiner Inhaftierung: Der marokkanische Anwalt und Menschenrechtskämpfer Mohammed Ziane (Casablanca, 17.10.2017)

Er ist der mit Abstand älteste politische Gefangene Marokkos: der Rechtsanwalt Mohammed Ziane, der zahlreiche Dissidenten in dem nordafrikanischen Land verteidigt hat und einst Menschenrechtsminister unter König Hassan II. war, bis er 1996 aus Protest von dem Amt zurücktrat. Am Montag wurde der 82jährige in der Hauptstadt Rabat ein weiteres Mal vor Gericht gezerrt, um erneut angeklagt zu werden – geschwächt von langer Krankheit und der Haft und mit Schwierigkeiten beim Gehen, wie auf Videos zu sehen ist, den ersten Aufnahmen von ihm seit seiner Inhaftierung. »Ich bin überzeugt, dass ich nicht aus dem Gefängnis herauskomme und darin sterben werde«, sagte er, nachdem die nächste Anhörung auf Juni festgesetzt worden war.

Hinter Gittern befindet sich Ziane seit Ende 2022, nachdem er in einem Interview mit der spanischen Internetzeitung El Independiente den Rücktritt des gegenwärtigen Monarchen Mohammed VI. gefordert hatte. Schließlich ist dieser nicht nur formal Staatsoberhaupt, sondern verfügt auch über die absolute Macht. Gleichzeitig ist er aber wegen seiner Aufenthalte in seinen Anwesen im Ausland häufig abwesend, und er ist ebenfalls gesundheitlich angeschlagen. Wer sich aber zum König äußert, muss sich in acht nehmen. Schon 2021 hatte die Justiz Ziane mit Anklagen überhäuft, darunter »Beleidigung von Amtsträgern und der Justiz«, »Beleidigung eines Organs« und »Verleumdung«, aber auch »Ehebruch« und »sexuelle Belästigung«. Als Quittung für seine Unbotmäßigkeit wurde Ziane nach seinem Gespräch mit dem Independiente im November 2022 in letzter Instanz für schuldig befunden und zu drei Jahren Gefängnis verurteilt.

Doch Ziane lässt sich nicht unterkriegen. Im Januar äußerte er sich erneut im El Independiente, wobei er seine bisherigen Vorwürfe gegen Mohammed VI. mit Blick auf Marokkos Bündnis mit Israel noch einmal übertraf: Er verwies darauf, dass der König auch »Anführer der Gläubigen« sei, und verlangte, dass er sich zu Israels Kriegführung mindestens ebenso ablehnend äußere wie Papst Franziskus, zumal Mohammed VI. auch dem Kuds-Komitee vorsteht, das die Aufgabe hat, über den Haram Al-Scharif bzw. Tempelberg in Jerusalem zu wachen. Überdies trat Ziane im Februar in den Hungerstreik, um gegen die Haftbedingungen zu protestieren. Alle Eingaben um Haftverschonung oder -erleichterung waren zuvor abgelehnt worden.

Auch das Königtum setzte nach den neuerlichen Vorwürfen noch eins drauf und fand einen weiteren Anklagepunkt. Demnach soll Ziane umgerechnet 100.000 Euro, die er als Förderung für die von ihm gegründete Liberale Partei erhalten hat, »veruntreut« haben. Darum ging es bei der Anhörung am Montag. »Sie sagen, dass ich das Geld zurückzahlen muss, weil ich keinen Sitz gewonnen habe. Wie kann das sein? Haben sie es gegeben, um Stimmen zu kaufen, nicht um Versammlungen abzuhalten und Programme zu veröffentlichen?« kommentierte Ziane laut El Independiente vom Dienstag. Das königstreue marokkanische Webportal El Barlamane stellte ihn allerdings als Unruhestifter dar und nannte seinen Gesundheitszustand blendend.

2 Wochen kostenlos testen

Die Grenzen in Europa wurden bereits 1999 durch militärische Gewalt verschoben. Heute wie damals berichtet die Tageszeitung junge Welt über Aufrüstung und mediales Kriegsgetrommel. Kriegstüchtigkeit wird zur neuen Normalität erklärt. Nicht mit uns!

Informieren Sie sich durch die junge Welt: Testen Sie für zwei Wochen die gedruckte Zeitung. Sie bekommen sie kostenlos in Ihren Briefkasten. Das Angebot endet automatisch und muss nicht abbestellt werden.

Ähnliche:

  • Angesichts der handfesten und sehr konkreten außenpolitischen In...
    02.05.2023

    Allenthalben Doppelmoral

    Dokumentiert. Der aktuelle Bericht der Bundesregierung über ihre Menschenrechtspolitik lobt deren »Werteorientierung«. Bei näherem Hinsehen bleibt davon nicht viel
  • Wo sie auftauchen, sind Palästinenser ihres Lebens nicht sicher ...
    31.03.2023

    Vor allem gegen Palästinenser

    »System der Apartheid«: Amnesty-Bericht dokumentiert Menschenrechtsverletzungen in Israel. Neue Gesetze verschärfen Lage
  • 15.06.2016

    Rückschlag für Marokko

    Pariser Gericht weist Klage des Königreichs gegen früheren Kickboxweltmeister zurück

Mehr aus: Ausland