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Aus: Ausgabe vom 24.05.2024, Seite 7 / Ausland
Ruanda-Gesetz

Sunak sieht sich auf Siegerstraße

Britischer Premier setzt Wahltermin und holt sich in Österreich Zuspruch für Abschiebeplan
Von Dieter Reinisch
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In der Beliebtheit laut Umfragen ganz unten: Britischer Premier Rishi Sunak (Ilkeston, 23.5.2024)

In Großbritannien dürfte die Einwanderungspolitik neben der Wirtschaftslage den anstehenden Wahlkampf dominieren. Am Mittwoch hatte Premier Rishi Sunak überraschend den 4. Juli als Termin für die Parlamentswahlen ausgerufen – diese hätten bis spätestens Januar 2025 stattfinden müssen. Sunak und seine Konservative Partei liegen in Umfragen klar hinter den Sozialdemokraten von Labour, via Instagram verwies der Premier auf die guten Wirtschaftsdaten, die ihn zu der Entscheidung bewogen hätten: »Unser Plan und unsere Prioritäten funktionieren.«

Am Donnerstag schienen ihm auch die aktuellen Zuwanderungszahlen recht zu geben. Wie das Nationale Statistikamt ONS mitteilte, sank die Nettoeinwanderung nach einem Rekord in 2022 im vergangenen Jahr um rund 80.000 auf 685.000. Dies nahm Sunak zum Anlass, zu verkünden, dass die ersten Abschiebeflüge nach Ruanda nach der Wahl stattfinden sollen – Labour hat angekündigt, den Plan, irregulär eingewanderte Menschen in das ostafrikanische Land abzuschieben, zu kippen. In den vergangenen Jahren sind Zehntausende Asylsuchende nach Großbritannien gekommen, viele auf der Flucht vor Kriegen und Armut in ihren Heimatländern in Asien, Afrika und im Nahen Osten. Ihnen bleibt meist nur der gefährliche Weg über den Ärmelkanal in kleinen Booten. Dem Statistikamt zufolge kamen 2023 die meisten Menschen von außerhalb der EU jedoch, um in Großbritannien zu arbeiten und lösten damit Studierende an der Spitze ab. Über den Ärmelkanal kam nur ein Bruchteil: rund 30.000 Menschen.

Zuspruch für seinen auch von der UNO kritisierten Plan hatte Sunak zuvor am Dienstag in Österreich erhalten. »Das Ruanda-Modell ist ein großes Vorbild für uns,« erklärte Bundeskanzler Karl Nehammer nach einem Arbeitstreffen bei der gemeinsamen Pressekonferenz in Wien. Zusammen mit Dänemark arbeite Österreich »seit einiger Zeit intensiv daran«, das Modell auch flächendeckend in der EU einzuführen, berichtete Nehammer. »Es gibt viele Themen, die uns gemeinsam bewegen und es gibt viele Themen, bei denen es aus österreichischer Sicht notwendig ist, über die Europäische Union hinaus Verbündete zu haben.« Das Ruanda-Modell sei Wegbereiter dafür, dass man die Asylverfahren in »sicheren Drittstaaten« auch in der EU auf die Agenda bringen könne und müsse, forderte der Kanzler. Nehammer weiß aber, dass es bis dahin noch ein »weiter Weg in der EU« ist, doch hätte Österreich bereits 15 Verbündete gefunden.

Wasser auf die Mühlen seines Gastes. »Es wird immer deutlicher, dass viele andere Länder nun ebenfalls der Meinung sind, dass dies der richtige Ansatz ist: mutig, neuartig und mit Blick auf Partnerschaften mit sicheren Ländern«, so Sunak. Auch wenn der britische Premier diese Phrasen seit über einem Jahr predigt, deutet derzeit allerdings nichts darauf hin, dass Großbritannien ähnliche Abkommen mit anderen Drittstaaten schließen könnte. Zumal Menschenrechtsgruppen im Vereinigten Königreich angekündigt haben, diese Politik auch weiterhin zu bekämpfen.

So wirkt die Pressekonferenz von Nehammer und Sunak wie eine populistische Wahlkampfshow, um mit harter Migrationsrhetorik den ausländerfeindlichen Parteien in den eigenen Ländern den Wind aus den Segeln zu nehmen. Für Nehammer stehen am 9. Juni die wichtigen EU-Wahlen und im Herbst Nationalratswahlen an. In den Umfragen zu beiden führt die rechte FPÖ fast zehn Prozentpunkte vor seiner ÖVP. Die Konservativen in Österreich sind damit genauso weit abgeschlagen, wie Sunaks Tories, die wohl bei den Unterhauswahlen eine herbe Schlappe einfahren werden. Vielleicht war gerade das der Grund, wieso die beiden Regierungschefs bereits nach wenig mehr als zehn Minuten die Pressekonferenz wieder – ohne Rückfragen von Journalisten – verließen. Kritik vom sozialdemokratischen EU-Abgeordneten Andreas Schieder kam dann nicht etwa daran, dass das britische Ruanda-Modell inhuman ist und gegen EU-Recht verstößt, sondern einzig daran, dass es den Steuerzahler »extrem teuer kommt«.

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