Macron will »Ordnung« in Neukaledonien
Von Hansgeorg Hermann![2024-05-22T22314ONIA-VIOLENCE-MACRON.JPG](/img/450/195250.jpg)
Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron hat sich am Dienstag doch noch entschlossen, in dem seit zehn Tagen von Unruhen geschüttelten Überseegebiet Neukaledonien nach dem Rechten zu sehen. Nach langer Anreise ins rund 17.000 Kilometer entfernte Besitztum veröffentlichte die Regierungsseite am Donnerstag das Resultat erster Gespräche mit den politischen Kräften vor Ort. Dies dürfte vor allem für die Unabhängigkeitsbewegung, aber auch für die sogenannten loyalen Inselbewohner eher enttäuschend sein. Der Präsident, der mit Innenminister Gérald Darmanin und Armeeminister Sébastien Lecornu angereist war, betonte: Der vergangene Woche verhängte Ausnahmezustand werde »vorerst« beibehalten. Und als eine Art feine Ergänzung dieser Maßnahme sollen die aus Paris eingeflogenen 3.000 »Sicherheitskräfte« »solange wie notwendig« »für Ordnung sorgen«.
Selbst die Olympischen Sommerspiele, die der französischen Hauptstadt ab Juli bevorstehen und ihre Sicherheit trotz des angekündigten Einsatzes von wenigstens 50.000 Uniformierten strapazieren werden, müssten nach den Worten Macrons und Darmanins hintanstehen, wenn im Pazifik weiter revoltiert, barrikadiert und getötet würde. Bisher haben sechs Menschen, darunter zwei Polizisten, den Aufstand mit dem Leben bezahlt. Der nach eigenen Worten »mit viel Respekt und Demut« angereiste Macron verlangte den Abbau aller Barrikaden und »konstruktive Entspannung« zwischen der Opposition und jenen »Loyalen«, die der von Macrons Regierung beschlossenen Verfassungsreform zustimmen. Die würde den indigenen Inselbewohnern, den 42 Prozent der Bevölkerung stellenden Kanaken vor allem, ihre seit der Verfassungsreform von 2007 garantierte bevorzugte Stellung bei Regionalwahlen nehmen.
Macrons »Demut« dürfte ihnen wenig glaubhaft erscheinen: Nationalversammlung und Senat haben die »Reform« bereits passieren lassen. Der für Verfassungsänderungen zuständige Congrès, die Versammlung beider Kammern, soll schon Anfang Juni – möglichst positiv – abstimmen und »die Ruhe wiederherstellen«.
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Warum? Es geht – nebst den erwähnten geopolitischen Interessen (Stützpunkt im Pazifik) – auch um gewichtige wirtschaftliche Interessen: Um die umfangreichen lateritischen Nickelerz-Vorkommen der Insel, die 8,4 Prozent aller derartigen Nickel-Reserven der Welt ausmachen …
Und zudem sei auch an die ursprüngliche Rolle dieser Insel für das französische Kolonial- und Justizsystem erinnert. Von 1863 bis 1931 (!) diente sie den Machthabern in Paris dazu, unzählige unliebsame Bürger (von mittellosen Vagabunden bis zu politischen Rebellen) möglichst weit weg in Strafkolonien in Guyana und Neukaledonien zu verbannen, wo sie in KZ-artigen Bedingungen und unter tropischen Verhältnissen die Insel für Frankreich »urbar« machen, respektive sich zu Tode schuften mussten.
Die zur Zwangsarbeit verdammten und deportierten »forcats« wurden zuerst zum Aufbau einer kolonialen Infrastruktur eingesetzt (Hafenmole, Straßenbau, Behausungen für Offiziere, Wasserversorgung, Kirche usw.) und ab 1890 immer mehr in Minen zum Abbau von Nickel-Erz. Sie trugen mit dem Rohstoffabbau unter Sklavenbedingungen unfreiwillig zur Entwicklung des Kapitalismus bei. Denn im Gegensatz zum Gesetz vom Mai 1854, gemäß dem vorgesehen war, dass die Zwangsarbeit den »öffentlichen Interessen« zu dienen habe, befinden sich die Minen-Konzessionen zu einem großen Teil seit je im Besitz von privaten Firmen (Higgins, Cardoso, SLN). Das ist bis heute so. Ein Teil der Produktion ist in den Händen von Elon Musks Tesla-Unternehmen, ein anderer der in der Schweiz ansässigen Glencore.
Kurz: Das ist nicht Neo-Kolonialismus, sondern alter Kolonialismus im 21. Jahrhundert!