Jetzt zwei Wochen gratis testen.
Gegründet 1947 Sa. / So., 15. / 16. Juni 2024, Nr. 137
Die junge Welt wird von 2788 GenossInnen herausgegeben
Jetzt zwei Wochen gratis testen. Jetzt zwei Wochen gratis testen.
Jetzt zwei Wochen gratis testen.
Aus: Ausgabe vom 23.05.2024, Seite 11 / Feuilleton
Theatertreffen 2024

Loslabern

Theatertreffen 2024
Von Andreas Hahn
k11.jpg
Lina Beckmann ganz allein in Theben

Der Tee war bitter, seifig und lauwarm, aber gratis. Auf dem diesjährigen Theatertreffen bekam man ihn zur Stärkung bei der Rauminstallation »Riesenhaft in Mittelerde«, in der die Tolkien’sche Textwelt im Geiste alemannischen Karnevals oder wahlweise eines Zürcher Stadtteilfestes ausgedeutet wurde. Sogenannte Orks in Tierfellen knurrten einen missmutig an, da fauchte man zurück wie ein Rotfuchs im Deterritorialisierungsrausch. Orks seien ohnehin nichts anderes als geröstete Elben, sagen mir Kenner des Tolkien-Dingens. Den veralberten Tolkien-Helden in »postheroischen Zeiten« (Herfried Münkler) lauschte ich dann in einem biedermeierlichen Ohrensessel gleich neben den Kontrollbildschirmen der Übertragungstechnik versunken wie Gandalf der Graue.

In Jahr eins der neuen Leitung von Nora Hertlein-Hull hatte man sich beim Theatertreffen wieder »mehr aufs Theater konzentriert« (Gert Hecht), dabei wie gewohnt »qualitätsgeprüft durch ein tolles Team« (Hertlein-Hull).

Die Auswahl brachte bewährtes: Eine Kirmes (Installation) muss mindestens dabei sein, genauso wie ein Diskurs-Tschechow, vorzugsweise das larmoyante Laberstück »Platonow«, diesmal unter dem alternativen Titel »Die Vaterlosen« als Talkshow des Frank-Castorf-Zeitalters mit Carl Hegemann als Master of Ceremony. Ein Dauerbrenner ist auch »Macbeth«. In der Bochumer Version besticht er mit dem dramaturgischen Kunstgriff, die Textdiskussion des aktuellen dramaturgischen Eingriffs jeweils an die Stelle des historisch vielbearbeiteten Stückes zu setzen. Unentbehrlich bleibt Ulrich Rasches begehbare Drehscheibe – diesmal in »Nathan der Weise« – allein schon, um die Kondition des Schauspielermaterials zu stärken. Die sportliche Leistung, der körperliche Einsatz, Blut, Schweiß und Tränen in der darstellenden Kunst war ein wichtiges Thema dieses Jahrgangs. Joachim Meyerhoff laberte als Platonow nicht nur, er ließ sich auch aufspießen wie der Heilige Sebastian. Und Lina Beckmann eröffnete ihre große One-Woman-Show in Roland Schimmelpfennigs »Laios« damit, dringend etwas trinken zu müssen, das sei ihr noch nie passiert – Wasserflasche, gluck, gluck –, um dann loszulegen mit der Mär von Laios, Iokaste und Chrysippos in Pythias Dönerimbiss und wie die ganze Fuselhippiegang immer am Bahnhof Theben rumhing, während das Fauchen der Katze (Sphinx) allen in den Ohren lag. »Denn das Geld verwüstet die Städte« (Sophokles). Für seine sportliche Haltung in »Die Hundekot-Attacke« vom Theaterhaus Jena bekam Nikita Buldyrski den Alfred-Kerr-Darstellerpreis. Die Betriebsnudelei, gemeinhin auch Selbstreflexion genannt, gehört zum Handwerk. Theater heute, das heißt labern, bis die Nägel brennen. Immerhin kamen 13.869 Besucher in die 29 Vorstellungen der Zehner-Auswahl. Die Auslastung betrug 99,95 Prozent. Mehr als bei einer Kommunalwahl in Nordkorea.

2 Wochen kostenlos testen

Die Grenzen in Europa wurden bereits 1999 durch militärische Gewalt verschoben. Heute wie damals berichtet die Tageszeitung junge Welt über Aufrüstung und mediales Kriegsgetrommel. Kriegstüchtigkeit wird zur neuen Normalität erklärt. Nicht mit uns!

Informieren Sie sich durch die junge Welt: Testen Sie für zwei Wochen die gedruckte Zeitung. Sie bekommen sie kostenlos in Ihren Briefkasten. Das Angebot endet automatisch und muss nicht abbestellt werden.

Mehr aus: Feuilleton