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Aus: Ausgabe vom 23.05.2024, Seite 11 / Feuilleton
Kino

Beim Holzhacken helfen

Künstlerische Kernfusion: Die dänische Satire »Von Vätern und Müttern«
Von Ronald Kohl
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Im Kampf aller gegen alle: Kleine Arschlöcher und arme Würstchen wie du und ich

Für die zwölfjährige Hannah (Ida Skelbæk-Knudsen) ist es nun schon das vierte Mal, dass sie die Schule wechseln muss. Mittlerweile hat sie von den Versuchen der Eltern, das pädagogische Umfeld ihrer Tochter zu optimieren, die Nase reichlich voll. Doch dieses Mal spielt sie noch mit, wenn auch nicht sehr überzeugend. Im Büro des Direktors trägt sie beharrlich eine ultimative Eisbärenmimik zur Schau. Was keinesfalls nachteilig wirkt; Adrian (Lars Brygmann) weiß als Schulleiter, was zählt: Die Eltern müssen ihm aus der Hand fressen, alles andere ergibt sich von selbst. »Sind Sie mit dem Wertekanon unserer Schule vertraut?« fragt er. Hannahs Vater Ulrik (Jacob Lohmann) antwortet: »Oh ja, meine Frau hat ihn längst auswendig gelernt.« Ulrik und seine Piv (Katrine Greis-Rosenthal) sind also bestens auf alles vorbereitet, nur auf eines nicht: dass von ihnen aktive Elternarbeit erwartet wird.

Regisseurin Paprika Steen (Paprika ist ein Spitzname, den ihr ihre Eltern verpasst haben) und Drehbuchautor Jakob Weis zählen in Dänemark seit Jahrzehnten zu den absoluten Größen der Branche. Während Steen als Schauspielerin an vielen internationalen Kinoerfolgen beteiligt war, erstreckte sich Weis’ Arbeit als Autor über ein nahezu allumfassendes Feld (Film, Radio, Oper, Animation). Die Zusammenarbeit der beiden als fruchtbar oder gelungen zu bezeichnen, wäre untertrieben. Für mich gleicht »Von Vätern und Müttern« einer künstlerischen Kernfusion.

Sie beginnt mit der Idee, einen Film über einen Schulausflug zu machen, bei dem die Schüler keine Rolle spielen, also mehr oder weniger reine Statisten sind, einmal abgesehen von Hannah. Sie will mit der neuen Klasse nichts zu tun haben und die nicht mit ihr. Julian, ein von allen geschnittener Außenseiter, verbindet sich mit ihr. Hannahs Vater findet schneller Kontakt zur Gruppe. Er muss beim Holzhacken helfen. Abends am Lagerfeuer greift er erst zur Gitarre und dann zur Flasche, wie die meisten anderen auch; die Kinder sind schließlich längst im Bett. Ulrik genießt die Abwesenheit seiner Frau, die erst einen Tag später nachkommen wird, in vollen Lungenzügen. Mit einer Mama, auf die er seit dem ersten Elternabend scharf ist und einem Joint in der Hand, den sie gerollt hat, hockt er kichernd im Gebüsch. »Darfst du das eigentlich?« fragt sie. – »Du meinst Gras rauchen, mit einem Baumstamm in der Hose?«

Ich muss zugeben, dass ich der einzige bei der recht gut besuchten Pressevorführung war, der an dieser Stelle laut gelacht hat. Überhaupt war der Film voll von Gags, über die sich immer nur zwei, drei Leute hemmungslos beeumeln konnten, doch die großen Saalbrüller gab es kaum. Die Erklärung hierfür ist einfach. Jeder hat über das gelacht, was er genau so aus seinem Leben kannte. »Von Vätern und Müttern« ist eine Satire, die zwar nonstop voll aufdreht, jedoch ohne zu überziehen. Das gilt sowohl für die Charaktere, kleine Arschlöcher und arme Würstchen wie du und ich, als auch für den dargestellten gruppendynamischen Prozess.

Wir scharen uns nun mal gerne um charismatische Menschen, lassen uns von ihnen zu mehr Leistung motivieren. Schulleiter Adrian ist so eine Erscheinung. Ein schlagfertiger Dandy, der sein Elternkollektiv streng hierarchisch gegliedert hat. An jenem Ausflug, der sogenannten Hüttenfahrt, nimmt er freilich nicht teil. Man kann ihn sich auch schwerlich sturztrunken und lauthals grölend am Lagerfeuer vorstellen. Aber immerhin erscheint er, selbstverständlich in Begleitung, am zweiten Abend, an dem es bedeutend ruhiger zugeht. Was vor allem daran liegt, dass nun auch Hannahs Mutter Piv eingetroffen ist. Es gehört zum Humor des Elternaktivs, sie umgehend über die Eskapaden ihres Mannes am Vorabend zu unterrichten. Sie bebt vor Zorn und will sofort Hannah von der neuen Schule nehmen …

Übrigens ist der Film eine Produktion der allen Fans der Olsenbande bestens bekannten Nordisk Film. Und es war rührend, an einer Stelle das altvertraute »Skide godt« (»mächtig gewaltig«) zu hören. Als Zusammenfassung deshalb hier die wörtliche Übersetzung: Scheiße gut!

»Von Vätern und Müttern«, Regie: Paprika Steen, Dänemark 2022, 97 Min., Kinostart: heute

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