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Aus: Ausgabe vom 23.05.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Energiewende

Zuviel Ökostrom in Griechenland

Mangels Speichern müssen Solar- und Windkraftanlagen zeitweise abgeschaltet werden
Von Wolfgang Pomrehn
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Meistens nach Süden ausgerichtet: Photovoltaikpark bei Kozani in Griechenland

Der Ausbau der Solarenergie schreitet ziemlich rasch voran. Nicht nur in China, wo im vergangenen Jahr gigantische 200 Gigawatt (GW) neuer Leistung ans Netz gingen, oder in Deutschland, wo es mit 15,2 GW einen neuen Ausbaurekord gab. Auch im sonnenverwöhnten Griechenland wurde mit einem Plus von 1,6 GW ein neuer Rekord erreicht. Zur Einordnung: Mit zehn GW lässt sich in Deutschland im Jahr etwa so viel Strom erzeugen wie in einem großen Atomkraftwerk. In Griechenland dürfte es aufgrund der intensiveren Sonneneinstrahlung etwas mehr sein.

Das Problem beim Solarstrom ist jedoch, dass sich seine Produktion zwar anhand moderner Wettervorhersage recht gut planen, aber nicht steuern lässt. Er fällt an, wenn die Sonne scheint, andere Kraftwerke und Speicher müssen die Lücken füllen, um Angebot und Nachfrage ins Gleichgewicht zu bringen. Genau das lässt inzwischen die griechischen Netzbetreiber schwitzen. Das Gleichgewicht muss in jeder einzelnen Sekunde hergestellt sein, sonst bricht das Netz zusammen.

Solarstrom fällt naturgemäß vor allem um die Mittagszeit an, da ist der Verbrauch in Griechenland nicht sehr hoch. Mitunter müssen deshalb Windkraft- und Solaranlagen abgeschaltet werden. Das Problem ließe sich ein wenig mildern, wenn ein Teil der Solaranlagen nach West oder nach Ost ausgerichtet würden. Dann wäre zwar die Ausbeute über den ganzen Tag geringer, aber es gäbe in den Morgen- und Abendstunden mehr Solarstrom. Bisher sind die Anlagen in Griechenland jedoch, wie auch hierzulande, meist nach Süden ausgerichtet.

Zu dem Problem gehört auch, dass Griechenlands konventionelle Kraftwerke vor allem große Braunkohleanlagen sind. Diese sind – wie die entsprechenden deutschen Werke – nicht nur höchst klimaschädlich, sondern auch sehr unflexibel. Nur Atomkraftwerke sind noch träger, wenn es ums Hoch- und Runterfahren geht. Als Ergänzung für den variabel anfallenden Wind- und Solarstrom wären hochflexible Gaskraftwerke besser geeignet. Wasserkraftwerke können im gewissen Umfang ebenfalls, sofern die Niederschläge mitspielen, eine Rolle in diesem Netzregelungspuzzle übernehmen.

Eine andere Möglichkeit wäre der Export in Nachbarländer, wofür es allerdings an Übertragungsleitungen mangelt. Auch ist damit zu rechnen, dass Griechenlands Nachbarn in den nächsten Jahren ebenfalls mehr Solaranlagen errichten werden. In der Türkei kamen im vergangenen Jahr zwei GW Solarleistung neu hinzu und in den ersten beiden Monaten 2024 bereits weitere 1,1 GW, berichtete die Zeitung Hürriyet Daily News unter Berufung auf das Ministerium für natürliche Ressourcen. Zu Beginn des Jahres seien bereits etwas über 50 Prozent des Strombedarfs mit erneuerbaren Energieträgern gedeckt worden. Ziel der türkischen Regierung sei es, bis 2035 jährlich fünf GW neue Leistung der klimaschonenden Energieträger neu zu installieren.

Das ist unter anderem auch ein Jobmotor, denn die Errichtung von Solaranlagen ist im Gegensatz zu ihrer Herstellung eine verhältnismäßig arbeitsintensive Sache. In Griechenland sind in diesem Sektor inzwischen 60.000 feste Arbeitsplätze entstanden, schätzt die Plattform Energynomics; EU-weit waren es 2022 nach Angaben des Verbands für Solarenergie bereits 648.000; bis 2027 könnten es doppelt so viel werden.

Arbeit wird auch die Schaffung von diversen Speichermöglichkeiten schaffen. Infrage kommen etwa Pumpspeicherwerke, die allerdings lange Bauzeiten haben und erhebliche Eingriffe in die Landschaft bedeuten. Eine zunehmende Rolle werden Batteriespeicher in den unterschiedlichsten Ausführungen und Größenordnungen spielen. Die griechische Regierung verteilt derzeit Mittel für den Aufbau von mehreren GW Speicherkapazität. Das erste Gigawatt soll bis Ende 2025 in mehreren größeren Projekten betriebsbereit sein. Außerdem gibt es seit neustem Förderprogramme für kleine Speicher, die Besitzer von Solaranlagen nutzen können.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Olaf M. aus München (24. Mai 2024 um 10:09 Uhr)
    Man kann Pomrehn nur dankbar sein für seinen Artikel. Er verdeutlicht das Scheitern des Konzepts »Energiewende«. Er schreibt, dass 10 GW (vermutlich Solarstrom) in Deutschland der Leistung eines großen Atomkraftwerks entspricht. Ein großes Atomkraftwerk hat etwa 1 GW Leistung. Das bedeutet, dass aus den 10 GW Nennleistung der Photovoltaikanlagen nicht mehr als 1 GW realer Stromproduktion herauskommt (eingedenk z. B. der schwankenden Sonneneinstrahlung und von Abschaltungen bei Überproduktion). Dieser Vergleich zeigt bereits, wie ineffizient Solarstrom ist, bei gigantischen Kosten für Installation und Unterhaltung der Kollektoren und der Netzanbindung. Dafür werden Quadratkilometer Natur- oder Landwirtschaftsflächen zerstört, wie das Foto veranschaulicht. Pomrehns Artikel verdeutlicht die Unzulänglichkeit des Konzepts auch bei der Diskussion von Möglichkeiten der Speicherung des überschüssigen Solarstroms. Eine besprochene Alternative sind Batteriespeicher. Hierzu ein Zitat: »Wäre alles auf Solar- und Windenergie … umgestellt, so würde man pro Tag Windstille im Winter bei Nebel (keine Solarenergie) 1,32 Milliarden kWh Speicherkapazität benötigen, oder etwa 13,2 Millionen Tesla Batterien.« (https://tkp.at/2024/05/16/windenergie-schaedlicher-und-teurer-als-energie-aus-kohlenwasserstoffen/). Dies betrifft die Situation in Deutschland mit einem durchschnittlichen Stromverbrauch von etwa 55 GW. Allein dieser Posten würde Hunderte Milliarden Euro kosten, ganz abgesehen von der Frage der Verfügbarkeit von benötigten Ressourcen (z.B. Lithium). Wie gesagt, Pohmrehn ist zu danken, dass er uns einen Einblick in die Unmöglichkeit einer Energiewende gewährt hat, die primär auf Solar- und Windenergie beruht. Es ist also ein kritisches Innehalten geboten, was das CO2-Narrativ anbetrifft. Meiner Meinung nach kann die Menschheit ohne weiteres noch eine Weile kohlenstoffbasierte Energieträger nutzen, bis vernünftige Alternativen (wie sichere Kernkraft) zur Verfügung stehen.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (22. Mai 2024 um 21:01 Uhr)
    Man beschäftige sich mit dem Begriff »netzdienliche Steuerung«. Das ist ein Schlüsselwort, allerdings etwas versteckt, z. B.: »Seit 1. Januar 2024 müssen neue Batteriespeicher ab einer Leistung von 4,2 Kilowatt grundsätzlich steuerbar [= netzdienlich, HH] sein. Netzbetreiber bekommen damit die Möglichkeit, auch Batteriespeicher als ›Stromverbraucher‹ etwas zu ›dimmen‹ (Leistungsreduktion), allerdings nur im Falle eines kritischen Zustandes im Stromnetz. Fachleute erwarten, dass dies nur in wenigen Stunden im Jahr notwendig sein wird. Jedoch: Verbraucher:innen sind beim Einbau verpflichtet, den Netzbetreiber mit der Umsetzung zu beauftragen – auch wenn das aktuell von den Netzbetreibern technisch noch nicht möglich ist.« (Quelle: https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/energie/erneuerbare-energien/lohnen-sich-batteriespeicher-fuer-photovoltaikanlagen-24589). Für Wärmepumpen gilt das auch. Und natürlich für die Richtung des Stromes ins Netz. Aus diesem Grund schraube ich keine, höchstens zwei PV-Paneele (»Balkonkraftwerk«) aufs Dach und ohne Akku. Dann amortisieren sich die Teile in etwa zwei Jahren und ich habe in den sechs Jahren, die mir das statistische Bundesamt anschließend noch gibt, etwas Nutzen von den Teilen.

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