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Aus: Ausgabe vom 23.05.2024, Seite 8 / Ansichten

Zauberlehrlinge

Russische Zinsen für Kiew
Von Reinhard Lauterbach
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Vom Westen um Zinsen erleichtert: Die russische Zentralbank in Moskau (3.3.2014)

Es mehren sich die Anzeichen dafür, dass der Ukraine-Krieg seinen westlichen Sponsoren wie auch der Kiewer Führung allmählich über den Kopf wächst. Beginnen wir beim Geld: Annalena Baerbock erklärte sich einverstanden mit der Forderung ihres Kabinettskollegen Boris Pistorius, die Militärhilfe für die Ukraine von den bereits budgetierten 7,1 Milliarden Euro in diesem Jahr auf 10,9 Milliarden zu erhöhen. Das ist eine Kostensteigerung um schlappe 53 Prozent, und ob da nicht noch mehr nachkommt, weiß niemand.

Bleiben wir noch einen Moment beim Geld: Die EU hat sich jetzt selbst ermächtigt, aus den eingefrorenen Guthaben der russischen Zentralbank den Zinsertrag »für die Ukraine« zu verwenden. Das ist freilich ein Etikettenschwindel: 90 Prozent der erwarteten Milliarden Euro gehen nicht an Kiew, sondern fließen in den Buchungsposten, für den das Brüsseler Neusprech den Namen »Europäische Friedensfazilität« erfunden hat: einen Fonds zur gemeinsamen Beschaffung von Waffen unter Subventionierung der EU-Rüstungskapitale. Wenn man schon zahlen muss, soll es wenigstens ökonomische Vorteile bringen.

Diese Entscheidung war lange umstritten, weil sie in die geheiligte Garantie des kapitalistischen Eigentums eingreift. Gerade die deutsche Seite hatte monatelang argumentiert, ein solcher Eingriff könnte einen gefährlichen Präzedenzfall schaffen. Weil das Geld der russischen Zentralbank unter dem Schutz der sogenannten Staatenimmunität steht. Und auf die beruft sich die Bundesrepublik routinemäßig, wenn irgendwelche Namibier, Griechen, Italiener oder Polen Schadenersatzforderungen wegen deutscher Massaker im Kolonialkrieg oder im Zweiten Weltkrieg geltend machen. Dieses Vorbild könnte in der Tat noch auf Berlin zurückfallen. Das mag einer der Gründe sein, warum die EU nur die Zinsen, aber nicht das Kapital in die eigene Tasche umleitet. Wie riskant die Sache vom Kapitalstandpunkt aus ist, wird auch daran deutlich, dass die USA immer schnell bereit sind, die EU zum Zugriff auf das russische Guthaben aufzufordern. Bei ihnen liegt nämlich viel weniger russisches Staatsgeld, da können sie das gut fordern, ohne selbst etwas riskieren zu müssen.

In dieser Situation, in der alles dafür spräche, einen Moment innezuhalten und nachzudenken, in welche Dynamik man sich da hineinbegeben hat, verfolgt die Ukraine genau das gegenteilige Ziel: ihre Sponsoren noch tiefer in den Krieg hineinzuziehen. Sie sollten von ihrem eigenen Territorium aus den ukrainischen Luftraum mit Raketen verteidigen, auch wenn sie damit nach gängiger Rechtsauffassung explizit zur Kriegspartei würden. Kiew ist diese Befürchtung egal. Menschlich ist das sogar verständlich. Die Ukraine hat sich von Boris Johnson in etwas hineinziehen lassen, was auch ihre Kräfte übersteigt. Warum sollen andere aus dem Schlamassel besser herauskommen als sie selbst? Verlierer neigen zum Nihilismus.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren. Denn nicht allen lernen die junge Welt kennen, da durch die Beobachtung die Werbung eingeschränkt wird.

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