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Aus: Ausgabe vom 23.05.2024, Seite 6 / Ausland
Menschenrechtsverbrechen

Uribe nicht mehr unantastbar

Kolumbiens rechter Expräsident endlich auf der Anklagebank
Von Sara Meyer, Bogotá
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Bisher die graue Eminenz, nun vor Gericht: Kolumbiens Expräsident Uribe (Bogotá, 29.6.2022)

Der einflussreichste Politiker Kolumbiens sitzt seit vergangenem Freitag vor Gericht. Dem ehemaligen Präsidenten Álvaro Uribe Vélez, der das Land von 2002 bis 2010 regierte, werden drei Delikte zur Last gelegt: Zeugenbestechung, Verfahrensbetrug und Beeinflussung von Richtern. Einer der Kläger ist der linke Senator Iván Cepeda. Sollte Uribe verurteilt werden, könnten ihm bis zu zwölf Jahre Haft bevorstehen.

Der Fall wurde durch eine Parlamentsdebatte ins Rollen gebracht, die bereits mehr als ein Jahrzehnt zurückliegt: 2012 war Uribe von Cepeda bezichtigt worden, gemeinsame Sache mit Drogenbossen und rechten Paramilitärs gemacht zu haben. Daraufhin setzt Uribe ein Verfahren wegen Verleumdung und Zeugenbestechung gegen Cepeda in Gang. Das Gericht stellte aber die Ermittlungen gegen Cepeda ein und begann 2018 einen Prozess wegen Manipulation von Zeugen gegen Uribe selbst.

Laut Staatsanwaltschaft hat Uribes Verteidiger Diego Cadena mehrere ehemalige paramilitärische Milizen unter anderem in Gefängnissen aufgesucht, um sie dazu zu bringen, vorherige Aussagen zurückzuziehen. Ziel sei gewesen, dass diese Exparamilitärs Briefe und Videos an den Obersten Gerichtshof schicken, in denen sie ihre früheren Aussagen über Uribes angebliche Verbindungen zu paramilitärischen Strukturen abstreiten. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft geschah dies auf Anweisung des ehemaligen Präsidenten.

Bei der ersten Anhörung am Freitag erhob das Gericht einen weiteren Tatvorwurf, für den sich Uribe verantworten muss: Bestechung während eines laufenden Strafprozesses. Demnach habe Cadena versucht, die ehemalige Staatsanwältin Hilda Niño dazu zu bewegen, gegen den damaligen Generalstaatsanwalt Eduardo Montealegre und seinen Stellvertreter Jorge Fernando Perdomo vorzugehen, da diese zu jener Zeit gegen Uribes Bruder wegen dessen Zusammenarbeit mit Paramilitärs ermittelten.

Das Verfahren gegen Uribe ist von weiteren Unregelmäßigkeiten geprägt. So enthüllten die kolumbianische Zeitung Cambio Colombia und das spanische Blatt El País, wie schwierig es war, das Verfahren zu eröffnen. Dabei kämpfte der Staatsanwalt des Obersten Gerichtshofs Gilberto Villarreal zunächst gegen Windmühlen. Erst als Exgeneralstaatsanwalt Francisco Barbosa seinen Posten im März abgeben musste, kam der Prozess richtig ins Rollen. Barbosa gilt als Unterstützer der von Uribe gegründeten Partei Centro Democrático, außerdem verbindet ihn eine Freundschaft mit Uribes politischem Ziehsohn, dem ehemaligen Präsidenten Iván Duque.

In Barbosas Amtszeit hatte die Staatsanwaltschaft mehrfach versucht, das Verfahren einzustellen. Zwei Bezirksrichter schafften es aber, den Antrag abzulehnen. Am 9. April verkündete die neue Generalstaatsanwältin Luz Adriana Camargo das Vorliegen weiterer Beweise gegen Uribe, was zu dessen Anhörung am Freitag führte. Uribes Rechtsvertreter versuchten, die Anhörung zu verschieben und beantragten die Nichtigkeit des gesamten Verfahrens, was das Gericht nicht gestattete. Camargo schließt in ihrer Beharrlichkeit an Villarreal an, der trotz Widerständen nicht aufgegeben hatte und offenbar den Abgang seines ehemaligen Chefs Barbosa abgewartet hat, um die Anklage am Ende doch noch erheben zu können.

Uribe, der seit 2020 vom Gericht unter »Hausarest« gestellt ist, beteuert derweil seine Unschuld und spricht von einem Komplott. Kurz vor Beginn der Anhörung verlas er ein an die kolumbianische Bevölkerung adressiertes Papier, in dem in 30 Punkten die angebliche Vorgehensweise gegen ihn dargestellt wird. Der Fall ist nicht nur angesichts des allgemein schwindenden Vertrauens in die Rechtsstaatlichkeit von großer Bedeutung, sondern insbesondere wegen seiner politischen Strahlkraft: Der 71jährige Uribe prägte mehrere Jahrzehnte lang die Politik des Landes. Ihm werden schwere Menschenrechtsverbrechen vorgeworfen. Der ehemalige Milizenchef Salvatore Mancuso bestätigte vergangenes Jahr vor der Sonderjustiz für den Frieden Uribes Verbindungen zu den Paramilitärs. Das Verfahren wird diesen Freitag fortgeführt.

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