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Aus: Ausgabe vom 23.05.2024, Seite 4 / Inland
Rechtes Parteienspektrum

Krah fliegt raus

AfD-Spitzenkandidat für EU-Wahl tritt aus Parteivorstand aus. Auftrittsverbot im Wahlkampf. Le-Pen-Partei beendet Kooperation
Von Marc Bebenroth
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Die Wunschpartner der AfD haben »keinen Bock« auf PR-Desaster (Kaufbeuren, 21.5.2024)

Ihr Spitzenkandidat für die EU-Wahl kostet der AfD-Spitze einen wichtigen Verbündeten für ihre europäische Vernetzungsstrategie. Der EU-Abgeordnete Maximilian Krah aus Sachsen hat am Dienstag auf X (ehemals Twitter) seinen Rücktritt aus dem Parteivorstand und seinen Verzicht auf weitere Wahlkampfauftritte verkündet. Ein Parteisprecher bestätigte, dass gegen Krah – zwei Wochen vor dem Wahltermin am 9. Juni – ein Auftrittsverbot verhängt wurde. Dieser war offensichtlich zu einer politischen Belastung für den Teil der AfD geworden, der auf politische Bündnisse möglichst vieler europäischer Rechtsaußenparteien abzielt. Außerdem gilt Krah als Gegner des – ebenfalls sächsischen – Parteivorsitzenden Tino Chrupalla.

Dabei wurde Krah letztlich nicht der Verdacht zum Verhängnis, einen chinesischen Spion beschäftigt zu haben und über ihn von China bezahlt worden zu sein. Seinen Rücktritt aus dem Parteivorstand begründete Krah statt dessen damit, dass »sachliche und differenzierte Aussagen« von ihm als »Vorwand missbraucht werden, um unserer Partei zu schaden«. Gemeint sind seine Einlassungen gegenüber der italienischen Zeitung La Repubblica. In einem bereits am 18. Mai veröffentlichten Interview hatte er unter anderem gesagt, dass man bei den Angehörigen der »Schutzstaffel« (SS) im Zweiten Weltkrieg differenzieren müsse. Auf die Frage, ob die SS-Angehörigen Kriegsverbrecher seien, antwortete er: »Es gab sicherlich einen hohen Prozentsatz an Kriminellen, aber nicht alle waren kriminell.«

Die SS bewachte und verwaltete unter anderem die Konzentrationslager der Nazis und war maßgeblich für Kriegsverbrechen verantwortlich. Sie war im Zuge der Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse nach dem Sieg über Hitlerdeutschland zusammen mit der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) und dem Sicherheitsdienst (SD) inklusive aller ihrer Untergliederungen zur verbrecherischen Organisation erklärt worden. Dies gilt bis heute.

Krahs Äußerungen hatte die französische Rechtsaußenpartei Rassemblement National (RN) von Marine Le Pen am Dienstag zum Anlass genommen, um die Zusammenarbeit im EU-Parlament aufzukündigen. Dort gehören AfD und RN der extrem rechten Fraktion »Identität und Demokratie« (ID) an. Nachdem er auf Listenplatz eins gewählt worden war, hatte Krah auf der Europaversammlung der AfD am 30. Juli 2023 erklärt, dass man auf der EU-Ebene möglichst eng mit den Partnerparteien in der ID-Fraktion zusammenarbeiten müsse. Allerdings war er vorher bereits für mehrere Monate von der Fraktion suspendiert worden, da er nicht Marine Le Pen, sondern deren faschistischen Konkurrenten Éric Zemmour bei den französischen Nationalwahlen unterstützt haben soll – was er wiederholt bestritten hatte.

RN-Spitzenkandidat Jordan Bardella habe den Bruch beschlossen, wie Wahlkampfleiter Alexandre Loubet gegenüber der Nachrichtenagentur AFP am Dienstag erklärt hatte. Am Abend hatte Bardella seine Entscheidung im Sender TF1 begründet. »Ich denke, dass die AfD, mit der wir im Europäischen Parlament seit fünf Jahren zusammengearbeitet haben, Linien überschritten hat, die für mich rote Linien sind.« Nach dem 9. Juni werde der RN neue Verbündete haben und nicht mehr an der Seite der AfD sitzen, sagte Bardella.

Damit droht die AfD den Anschluss an die europäischen Rechtsaußenparteien zu verlieren, die wie der RN eher auf einen Anpassungskurs Richtung Brüssel und Washington setzen, um nationale Regierungsämter besetzen zu können. Dies ist der Vorsitzenden der faschistischen Fratelli d’Italia, Giorgia Meloni, bereits gelungen, die es mit ihrem Auftreten als konservative europäische Politikerin zur Regierungschefin in Rom gebracht hatte. Für Berlin und Brüssel gilt Meloni seither als Verbündete in der Blockkonfrontation mit Russland und China sowie im Kampf gegen Geflüchtete und Migranten.

Gegenüber dem – von ihrem verstorbenen Amtsvorgänger Silvio Berlusconi gegründeten – Sender Canale 5 habe Meloni laut Euractiv-Bericht vom Dienstag ihr Ziel skizziert: die Vereinigung von »Mitte-rechts- und rechtskonservativen« Parteien. Sie sprach demnach davon, »das zu wiederholen, was in Italien geschehen ist, nämlich Parteien zu vereinen, die in ihrer Vision kompatibel sind, obwohl sie völlig unterschiedliche Nuancen haben«. »Es gibt gemeinsame Punkte mit Meloni«, sagte Le Pen am Sonntag bei dem von der rechten Vox-Partei ausgerichteten »Europa Viva 24«-Kongress in Madrid.

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