Jetzt zwei Wochen gratis testen.
Gegründet 1947 Sa. / So., 15. / 16. Juni 2024, Nr. 137
Die junge Welt wird von 2788 GenossInnen herausgegeben
Jetzt zwei Wochen gratis testen. Jetzt zwei Wochen gratis testen.
Jetzt zwei Wochen gratis testen.
Aus: Ausgabe vom 22.05.2024, Seite 16 / Sport

911 Is a Joke

Von André Dahlmeyer
ARGENTINA-ELECTION-MARKETS.JPG
Das teuerste Barrio von Buenos Aires: Puerto Madero

Einen wunderschönen guten Morgen! In Südamerika wurde der vorletzte Spieltag der Gruppenphase der kontinentalen Copas gekickt. Racing Club aus Avellaneda, Conurbano von Buenos Aires, empfing in der Copa Sudamericana im Estadio Presidente Perón (Cilindro) Coquimbo Unido aus dem kleinen Norden Chiles. 2020 hatten die Gäste die Halbfinals dieser Copa erreicht, im selben Jahr stiegen sie letztmals ab. Die Argentinier hatten das Spiel klar im Griff und gewannen nach Treffern von Mittelstürmer Adrián Martínez (2) und Juan Nardoni aufreizend lässig mit 3:0.

Puerto Madero ist das teuerste Barrio von Buenos Aires, es hat die höchsten Quadratmeterpreise in ganz Lateinamerika. Wolkenkratzer säumen es, multinationale Konzerne sind dort ansässig, Finanzspekulanten, die Reichen und Schönen leben dort und auch die meisten Politiker. Kurzum: eine No-go-Area, vom Bus-Terminal in Retiro bis an die südliche Stadtgrenze nach La Boca. Nach dem Pokalspiel bei Racing tobten sich dort chilenische Fanatiker der »Piraten« aus, sie warfen einen Obdachlosen von einer der Brücken an den Docks aus vier Metern Höhe in den Río de la Plata. Der 40jährige Mann hatte die Unverfrorenheit besessen, sie um monetäre Hilfe zu bitten. Wegezoll sollte für Reiche eigentlich Ehrensache sein. Wer sich eine Reise von der Pazifikküste bis zur Atlantikküste (oder umgekehrt) bloß wegen eines schnöden Balltretevents leistet, ist es wohl.

In Puerto Madero ist praktisch rund um die Uhr was los, damit meine ich keine von der Brücke fallenden Menschen. Feierbiester mit Bakschisch machen dort den Lauten. Niemand schritt bei dem »Streit« ein. Erst als »Mann über Bord« unleugbar wurde, rief jemand die »911«. Eine Schande.

Personal des Nachbarschaftskommissariats 1E rettete den Mann schließlich, eher widerwillig, aus dem eiskalten Wasser und forderte einen Wagen des SAME, des nationalen Notfallrettungsdienstes, an. Die Sanitäter stellten eine starke Unterkühlung sowie einen akuten Verwirrtheitszustand des Betroffenen fest. Die Polizei schnappte dann noch wenigstens zwei der Aggressoren, einen 34jährigen und einen 26jährigen Mann. Das währte natürlich nicht lange. Die Drehtüren in den argentinischen Kommissariaten und sogar in den Knästen sind weltberühmt. Vorne rein, hinten raus. Das Opfer des lustigen Schabernacks irrt längst wieder durch die Straßen der Capital Federal, auf der Suche nach was zum Essen, einer Zichte oder einem Schluck Vergessen.

In Puerto Madero geht das Leben weiter, das gute alte Leben, es ist eine Tombola, die einen leben arschgepudert auf dem hohen Ross, ganz selbstverständlich. Manchmal ist die Realität das Klischee. Die anderen ziehen eine Niete nach der anderen (es sind nur Nieten im Hut, es wurde vorsortiert), so sehr sie sich auch abmühen, sie werden dabei immer verrückter, rasen wie betäubt durch die Zeit, solange die Sonne jeden Tag aufgeht und wieder unter, und das Knurren im Magen so laut ist wie das Knurren, das aus den zu Fratzen gefrorenen Gesichtern der feindlichen Geldsäcke fällt, die nicht wahrhaben wollen, dass dieser ihre privilegierten Sinne beleidigende Menschenmüll immer noch frei herumläuft.

2 Wochen kostenlos testen

Die Grenzen in Europa wurden bereits 1999 durch militärische Gewalt verschoben. Heute wie damals berichtet die Tageszeitung junge Welt über Aufrüstung und mediales Kriegsgetrommel. Kriegstüchtigkeit wird zur neuen Normalität erklärt. Nicht mit uns!

Informieren Sie sich durch die junge Welt: Testen Sie für zwei Wochen die gedruckte Zeitung. Sie bekommen sie kostenlos in Ihren Briefkasten. Das Angebot endet automatisch und muss nicht abbestellt werden.

Mehr aus: Sport