Rotlicht: Militärisch-universitärer Komplex
Von Pablo FlockWas eine relevante Theorie oder Methode ist, die zu lehren lohnt, entscheiden für gewöhnlich die Dekane und Professoren in den Fakultätsräten mit anschließender Akkreditierung durch das Wissenschaftsministerium. Danach scheint der Gegenstand militärisch-industrieller Komplex als zu wenig aussagekräftig oder zu ideologisch, um an Universitäten vermittelt zu werden. Das Konzept geht auf den US-amerikanischen Soziologen C. Wright Mills zurück, der Begriff auf den US-amerikanischen Präsidenten und ehemaligen General Dwight D. Eisenhower, der – von Mills selbst als Beispiel für den Drehtüreffekt zwischen US-Militär, Wirtschaft und Politik ins Spiel gebracht – in seiner Abschiedsrede vor den Gefahren für die Demokratie durch einen von ihm so bezeichneten Komplex warnte, bei dem die Interessen US-amerikanischer Rüstungskonzerne, der hohen Militärs und der Geheimdienste zusammenliefen.
Nach Auffassung hiesiger Universitätsbeamter ist dieser Ansatz aber vermutlich ohne jedes Erklärungspotential, in einem Land nämlich, in dem die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), zugleich in den Präsidien der beiden größten Lobbyorganisationen der Waffenindustrie sitzt, dem »Förderkreis Deutsches Heer e. V.« und der »Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik«, und in dem die verteidigungspolitischen Sprecher von SPD, CDU und FDP meist leitende Positionen in solchen Lobbyorganisationen innehaben.
In Zeiten, in denen die Politik den Landsleuten Aufrüstung und Krieg als ausweglos verkauft, sollen jedenfalls keine Bemühungen im Wege stehen, das Zivile und das Militärische voneinander getrennt zu halten. Unangenehm fallen da Studenten und Lehrkräfte auf, die Armee und Rüstungsproduzenten über Zivilklauseln von den Universitäten fernhalten möchten.
Dass aber Kooperationen zwischen zivilen Forschungseinrichtungen und Rüstungsindustrie überhaupt Aufwind erhielten, hat laut dem Politikwissenschaftler Stefan Wallaschek, der dafür den Begriff militärisch-universitärer Komplex in den vergangenen Jahren verbreitete, mit der »zunehmenden Ökonomisierung der Hochschullandschaft« und der fortschreitenden wirtschaftlichen »Ungleichheit zwischen den verschiedenen Hochschulen« zu tun. Allerdings kooperieren auch großzügig aus Exzellenztöpfen finanzierte Universitäten mit Firmen aus dem »Sicherheitssektor«, die Universität Tübingen etwa – trotz Zivilklausel – mit dem Rüstungszulieferer ZF Friedrichshafen.
Generell versuchen Rüstungskonzerne und auch die Bundeswehr über Drittmittelprojekte und Stiftungsprofessuren Einfluss auf Inhalte von Forschung und Lehre zu nehmen. Universitäten und wissenschaftliche Institute sollen die Grundlagen für die Kriege der Zukunft schaffen. Woran genau geforscht wird, unterliegt dabei oftmals der Geheimhaltung. Allerdings beschränkt sich der Anspruch nicht darauf, per Forschung und Entwicklung an den Hochschulen die militärische Hardware von morgen zu ermöglichen. Vielmehr drohen auch die Geisteswissenschaften so zugerichtet zu werden, dass sie die Begründung für kommende Kriege liefern.
Die veröffentlichte Meinung ist sich dabei einig: Um verteidigungsfähig – oder vielmehr kriegstüchtig – zu werden, müssen alle, auch die Wissenschaften, an einem Strang ziehen. Landesregierungen wie in Bayern und Hessen holen deswegen zum finalen Schlag gegen jene aus, die der deutschen Rüstungsindustrie die Vorsprünge durch staatlich geförderte Dual-Use-Forschung nicht gönnen: Die Zivilklauseln sollen, wie in einem vom Bayerischen Landtag bereits verabschiedeten Gesetz, direkt verboten oder, wie im hessischen Koalitionsvertrag von CDU und SPD festgehalten, »überprüft« werden.
Unterstützung gibt es ganz von oben: Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) spricht sich ebenfalls für eine enge Verzahnung von Wissenschaft und Bundeswehr aus, die Schulen sollen sich den Jugendoffizieren stärker öffnen. Ein Verbot der Zivilklauseln, die heute an rund 70 deutschen Universitäten gelten, lehnt sie allerdings ab.
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