Wirklichkeitsferne Rentendebatte
Von David MaiwaldEine »Rente mit 63« gebe es »in dieser Form gar nicht mehr«, konterte Verdi-Chef Frank Werneke am Dienstag in den Funke-Zeitungen die jüngsten Attacken der FDP auf das Rentensystem. Die Regierungspartei hatte mit der Behauptung, die »Rente ab 63« setze (wie angeblich auch das Bürgergeld) »Fehlanreize, die wir uns nicht leisten können«, erfolgreich von der Frage nach einer sozialen Ausgestaltung und Finanzierung der Altersbezüge abgelenkt.
Am Montag war die »Wirtschaftsweise« Monika Schnitzer auf den FDP-Zug aufgesprungen und hatte gegenüber dpa erklärt, der abschlagsfreie Renteneinstieg nach 45 Beitragsjahren sei »nicht zielgenau«. Sie behauptete, dass Beschäftigte, die den früheren Einstieg wählten, überwiegend »durchschnittlich verdient haben und überdurchschnittlich gesund sind«. Rentenzuwächse sollten »begrenzt werden«, Altersbezüge seien an die Inflationsentwicklung anzupassen.
»Definitiv keine gute Idee«, befand der rentenpolitische Sprecher der Linke-Gruppe im Bundestag, Matthias Birkwald. Vielmehr sei ein »Anpassungmechanismus« nötig, der zu höheren und nicht »zu noch niedrigeren Renten« führe. Rentnerinnen und Rentner sollten »am steigenden Wohlstand teilhaben«. Würden die Bezüge »für langjährig und für besonders langjährig Versicherte« verdoppelt, lägen sie ungefähr auf dem österreichischen Rentenniveau. Erst dann könnten Erhöhungen an die Inflationsentwicklung angepasst werden, so Birkwald. »Aber keinen Tag eher«. Mit moderat steigenden Beitragssätzen würden die Renten auch finanzierbar bleiben, »selbst wenn man sie endlich wieder auf das Niveau des Jahres 2000 erhöhte«.
Ähnlich wie ihr ehemaliger Genosse hatte die Bundestagsabgeordnete Sahra Wagenknecht in der vergangenen Woche für ein »österreichisches Modell« plädiert. Insgesamt sollen die Beiträge erhöht werden. Auch Selbständige, Beamte und Abgeordnete sollen in die Versicherung einzahlen. Ihre Partei BSW kündigte einen »Rentenwahlkampf« für die Bundestagswahl im Jahr 2025 an. In einem Fünfpunktepapier hat das Bündis Sahra Wagenknecht unter anderem eine »deutlich stärkere« Anhebung anstelle der geplanten 4,57 Prozent sowie Steuerfreiheit für Renten bis 2.000 Euro gefordert. Das BSW verlangt eine Volksabstimmung über den Kurs der Rentenpolitik. Die soll zeitgleich mit der Bundestagswahl stattfinden.
Die Debatte zur »Rente ab 63« sei »realitätsfremd« und diene dazu, Ängste und Verunsicherung unter den Menschen zu schüren, »die ihre Lebensplanung bedroht sehen«, erklärte Verena Bentele, Chefin des Sozialverbands VdK, am Montag. In einem »Faktencheck« zur »Rente mit 63« informierte der Verband, diese sei erst »mit 64 Jahren und vier Monaten« möglich, für ab 1964 Geborene erst ab 65 Jahren. Wer sie beanspruche, sei im Gegenteil zu Schnitzers Aussagen meist »körperlich verschlissen«, »psychisch ausgebrannt« oder nicht in der Lage, das aktuelle Arbeitspensum weiter zu erfüllen. Im übrigen erhielten 46 Prozent der Frauen im Bezug eine Armutsrente von weniger als 1.200 Euro, bei Männern seien es 30 Prozent.
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