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Aus: Ausgabe vom 21.05.2024, Seite 15 / Natur & Wissenschaft
Waldzustandsbericht

In Flammen

Die Regenwälder befinden sich in einem kritischen Zustand. Neueste Untersuchungen zeigen eine steigende Zahl von Bränden
Von Norbert Suchanek
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Verkohlter Regenwald in Venezuela (März 2024)

Um die globale Erwärmung einzudämmen, ist es essentiell, die Tropenwaldvernichtung zu beenden und die bestehenden Regenwälder zu erhalten. Doch davon ist die Welt noch immer weit entfernt. Das ist das Fazit des im April vorgelegten globalen Waldzustandsberichts des World Resources Institutes (WRI) in Washington. Die weltweite Tropenwaldabholzung sei zwar im vergangenen Jahr im Vergleich zu 2022 leicht – um rund 4.000 Quadratkilometer – zurückgegangen. Allerdings sei man weit davon entfernt, die Waldschutzziele für 2030 zu erreichen, so der WRI-Bericht. 2023 seien in den Tropen insgesamt 37.000 Quadratkilometer Wald vernichtet worden: zehn Fußballfelder pro Minute. Dabei nahmen die Abholzungen besonders in Laos, Nicaragua, Indonesien sowie in Bolivien und der Demokratischen Republik Kongo zu.

Sowohl in Indonesien wie in Bolivien stieg der Primärwaldverlust im Jahr 2023 um 27 Prozent. Mit der Vernichtung einer Fläche von 4.905 Quadratkilometern verzeichnete Brasiliens Nachbarland den drittgrößten Primärwaldverlust aller tropischen Länder. Laut WRI sei insbesondere die Ausweitung der Sojabohnenfelder ein Hauptgrund für die Entwaldung in Bolivien. 5.261 Quadratkilometer Regenwald fielen im vergangenen Jahr in der Demokratischen Republik Kongo Kettensägen und Bränden zum Opfer. Dabei gilt das Kongobecken als die letzte große Tropenregion, in der der Wald mehr Kohlenstoff aufnimmt, als er ausstößt.

In Brasilien ging die Entwaldung 2023 den WRI-Daten zufolge zwar um 36 Prozent deutlich zurück, es bleibt aber weiterhin das Land mit der weltweit flächenmäßig größten Tropenwaldvernichtung. Das südamerikanische Land verlor im vergangenen Jahr rund 11.000 Quadratkilometer Primärwald, mehr als doppelt soviel wie die Demokratische Republik Kongo.

Die katastrophalen Überschwemmungen im bereits großflächig abgeholzten südbrasilianischen Bundesstaat Rio Grande do Sul bestimmen zwar zur Zeit die Schlagzeilen in den Massenmedien, doch gleichzeitig gehen Brasiliens Tropenwälder im Norden, Westen und Südosten des Landes wieder vermehrt in Flammen auf.

Aktuelle Daten des für die satellitengestützte Waldüberwachung zuständigen Instituts für Weltraumforschung (INPE) zufolge haben die Waldbrände im Norden Brasiliens vom 1. Januar bis zum 15. Mai dieses Jahres um 164 Prozent, in Zentral- und Westbrasilien um 94 Prozent sowie im brasilianischen Südosten um 42 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum zugenommen. Die mit Abstand meisten Brandherde meldet INPE für die Amazonasregion: Dort registrierten die Satelliten in diesem Jahr bereits 9.817 größere Brandherde gegenüber lediglich 4.229 in den ersten fünf Monaten des Vorjahres. Noch schlimmer steht es um die Wälder des weltweit größten, aber täglich weiter schrumpfenden Inlandsfeuchtgebiets der Erde: dem Pantanal im Westen Brasiliens. 777 Brandherde in diesem Jahr bedeuten eine Zunahme von 1.095 Prozent gegenüber 2023.

Auch die Amazonasstaaten Venezuela, Guyana, Surinam, Bolivien und Kolumbien verzeichneten in den ersten fünf Monaten des Jahres eine deutliche Zunahme der Waldbrände, wobei Guyana und Surinam die Spitzenreiter sind. In Surinam haben sich die Feuersbrünste in diesem Jahr verzehnfacht und in Guyana zeigen die Satellitendaten 342 Prozent mehr Brände.

Im tropischen Afrika ist das Szenario kaum anders. Laut einer neuen, Anfang Mai im Wissenschaftsjournal Geophysical Research Letters veröffentlichten Studie haben sich die Brände in den feuchten Tropenwäldern Afrikas in den vergangenen zwei Jahrzehnten verdoppelt.

Seit langem ist der Wissenschaft bekannt, dass es auch in den Regenwäldern West- und Zentralafrikas zu Bränden kommen kann. Doch diese tropischen Waldfeuer wurden bisher kaum erfasst und erforscht. Dabei gelten die afrikanischen Regenwälder als eine global wichtige Kohlenstoffsenke, die der Atmosphäre pro Jahr mehr Kohlendioxid entzieht als Amazonien.

Die Forschungsarbeit »Increasing Fire Activity in African Tropical Forests Is Associated With Deforestation and Climate Change« eines Wissenschaftlerteams der Universität von Oklahoma ist nun die erste umfassende Analyse der größtenteils von Menschenhand gelegten Feuer in den Regenwäldern Afrikas. Das Team rund um Michael Wimberly wertete dazu Satellitenbilder von 2003 bis 2021 in West- und Zentralafrika einschließlich des Kongobeckens aus und stellte einen eindeutigen Anstieg der Brandhäufigkeit im Untersuchungszeitraum fest.

»Es gab mehrere Gebiete, in denen der Trend war, dass es mehr Brände gab, vor allem im Kongobecken. Im Gegensatz dazu gab es fast keine Orte, an denen die Zahl der Brände zurückging«, schreiben die Autoren. Die Feuer traten darüber hinaus in Regionen auf, in denen es zu Abholzungen kam und das Klima aufgrund des globalen Klimawandels wärmer und trockener wurde. »Ich war überrascht, wie stark und deutlich das Klimasignal war«, so Forschungsleiter Wimberly. Der Studie zufolge dürfte die Zunahme von Waldbränden angesichts der fortschreitenden globalen Erwärmung weiter anhalten. Zudem erhöhe Abholzung die Feueranfälligkeit der Regenwaldgebiete, vor allem in den Randzonen, wo ein trockeneres Mikroklima vorherrscht. Rodungen fragmentierten die verbleibenden Wälder, wodurch die Länge der freiliegenden Waldränder, an denen die meisten Feuer entstehen, zunimmt.

»Diese Ergebnisse stehen im Gegensatz zu den Erkenntnissen über die trockeneren afrikanischen Wälder und Savannen, wo die Brände in den vergangenen Jahren stetig zurückgegangen sind. Zunehmende Brandtrends finden dort statt, wo ein rascher Waldverlust auftritt, und diese Trends gehen mit steigenden Temperaturen und atmosphärischer Austrocknung einher«, resümieren die Forscher. Die Waldbrände werden wahrscheinlich mit steigenden Temperaturen und anhaltender Abholzung weiter zunehmen – mit negativen Auswirkungen auf Kohlenstoffspeicherung sowie auf die Artenvielfalt und die menschliche Lebensgrundlage aus Waldressourcen.

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