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Aus: Ausgabe vom 18.05.2024, Seite 1 / Titel
Werkserweiterung in Grünheide

Musk darf bauen

Grünheide: Gemeindevertreter ignorieren Bürgervotum und stimmen Tesla- Bebauungsplan zu. Gegner kündigen Widerstand an
Von Mawuena Martens
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Seit Monaten protestieren Aktivisten gegen den Werksausbau (Grünheide, 11.5.2024)

Als »herben Schlag für Wasserschutz und Demokratie« bezeichnet das Bündnis »Tesla den Hahn abdrehen« die Abstimmung in der Grünheider Gemeindevertretung: Elf der 19 Grünheider Vertreter hatten am Donnerstag abend für einen Bebauungsplan gestimmt, der dem US-Autobauer Tesla grünes Licht zum Werkausbau gibt. Und das, obwohl sich bei einer Bürgerbefragung im Februar mehr als 60 Prozent der Grünheider dagegen ausgesprochen hatten.

Rund 100 Tesla-Gegner hatten am Donnerstag nachmittag vor dem Abstimmungsort protestiert, die Gemeinderatssitzung fand in aufgeheizter Stimmung statt. Gegner und Befürworter lieferten sich Wortgefechte. Nach Bekanntwerden des Abstimmungsergebnisses kündigten die Gegner weiteren Widerstand an. Manu Hoyer von der Bürgerinitiative Grünheide erklärte am Freitag gegenüber jW: »Es hat gravierende Verfahrensfehler gegeben. Wir werden juristisch gegen den Bebauungsplan vorgehen und klagen.« Änderungen im Bebauungsplan seien nicht markiert und der Plan zu kurz ausgelegt worden. Die Bürgerinitiative werde sich mit weiteren Bündnissen über kommende Protestaktionen beraten. Ähnlich enttäuscht gab sich das Bündnis »Tesla den Hahn abdrehen«: Die Entscheidung sei katastrophal, die Politik stelle »Teslas Profite über den Trinkwasserschutz«.

Tatsächlich konnten sich die Gemeindevertreter nur einer fadenscheinigen Begründung bedienen. Im Anschluss an die Bürgerbefragung war der Bebauungsplan überarbeitet worden. Anstatt ursprünglich 100 Hektar Fläche, die dem Elektroautobauer zugesprochen werden sollten, sind es nun knapp 50. Ein Vertreter von Tesla setzte noch einen drauf. Er argumentierte in der Gemeinderatssitzung mit dem Klimaschutz: Das Unternehmen wolle auf der Fläche unter anderem einen Güterbahnhof bauen. Zwar könne man den Abtransport von einer Million Fahrzeugen pro Jahr über die Straße abwickeln, »aber wir wollen das über die Schiene machen«. Wenn also Wald zum Bau eines Güterbahnhofs gerodet wird, der dem Transport ressourcenintensiv produzierter Elektroschlitten dient, tut man der Umwelt einen Gefallen, so die verquere Logik.

Tesla und die Landespolitik zeigten sich mit dem Abstimmungsergebnis zufrieden. Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) sprach von einem »starken Signal« für die künftige Entwicklung Grünheides und Teslas. Schon vor der Abstimmung war Kritik laut geworden, dass Politik und Unternehmen auf die Abstimmungsberechtigten Druck ausübten. Wohl um dem zu entgegnen, sagte die Vorsitzende der Gemeindevertretung, Pamela Eichmann (SPD), kurz vor der Abstimmung gegenüber dem Deutschlandfunk: »Von Tesla haben wir gar keinen Druck.« Mit ihrem Votum für den Bebauungsplan wolle sie bloß das Bestmögliche für die Bürger herausholen.

Tesla, laut Steinbach »Brandenburgs größter Arbeitgeber«, will seine Kapazitäten in dem Werk verdoppeln. Aktuell jedoch laufen die Geschäfte schlecht. Erst vor drei Wochen hatte Firmenchef Elon Musk weltweit Tausende Stellen gestrichen, auch 400 Beschäftigte in Grünheide sind betroffen. Seit Monaten protestieren Aktivisten gegen den Werksausbau, die dortigen Arbeitsbedingungen und die Konsequenzen für die Umwelt. Ende Februar hatten sie das entsprechende Waldstück neben dem Fabrikgelände besetzt. An mehreren Demonstrationen, zuletzt in der vergangenen Woche, beteiligten sich rund 2.000 Menschen.

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  • Leserbrief von E. Rasmus (21. Mai 2024 um 11:37 Uhr)
    Wenn’s nicht so bitter wär, dächt man an eine Komödie. Schließlich konnte man über Ottfried Fischer als Bullen von Tölz mit Gerd Anthoff als Rambold ab und an schelmenhaft erfahren, wie Behörden und »Volksvertreter« für profitversprechende Projekte geschmiert oder unter Druck gesetzt werden. Und wir haben es hier mit einem Schmierentheater schlimmsten Ausmaßes in halbkolonialer Abhängigkeit von dem US-Konzern im Besonderen wie im Allgemeinen von den USA auch zu tun. Der erwachsene Mensch besteht zu etwa 65 Prozent aus Wasser und die menschliche Samenzelle gar enthält 98 bis 99 Prozent Wasser. Wasser ist also Leben! Aber wo offenbar aus Profit- und Machtgier eine Eintrocknung erfolgte, wirkt staatspolitische Demenz wie bei der Landesregierung und den ihr hörigen Lokalaposteln pathologisch. E-Auto-Vermarktung ist also wichtiger, als mit Vernunft Wasser für Gesundheit und Leben überhaupt zu bewahren.
  • Leserbrief von Joachim Seider aus Berlin (19. Mai 2024 um 17:43 Uhr)
    Kapital agiert fast immer außerordentlich rücksichtslos, wenn es um großen Profit geht. Da ist Tesla nichts Außergewöhnliches oder ein besonders bemerkenswerter Fall. Viel rücksichtsloser noch sind die Rüstungskonzerne, deren Produkte einzig der Entwertung oder Zerstörung der Ergebnisse menschlicher Arbeit oder der Menschen selbst dienen. Tausend oder zweitausend Protestierende über Jahre vor den Werktoren deutscher Waffenschmieden: Das wäre ein wirklich zählbarer Widerstand gegen die Auswüchse des Imperialismus. Man kann aus gutem Grund gegen eine Fabrik sein, die Nobelkarossen im e-Format produziert. Sich vorwiegend darauf zu konzentrieren, verschleißt Kräfte, die an anderer Stelle notwendiger und wirkungsvoller wären. Ein Feindbild Elon Musk verkennt, dass es das komplette große Kapital ist, das fleißig an unserem Untergang arbeitet. Es tut not, den Blick zu weiten, wenn man wirklich wirksam widerständig sein will.