Jetzt zwei Wochen gratis testen.
Gegründet 1947 Mittwoch, 12. Juni 2024, Nr. 134
Die junge Welt wird von 2782 GenossInnen herausgegeben
Jetzt zwei Wochen gratis testen. Jetzt zwei Wochen gratis testen.
Jetzt zwei Wochen gratis testen.
Aus: Ausgabe vom 17.05.2024, Seite 16 / Sport
Sportpolitik

Frehse und die Folgen

Das komplizierte Beschäftigungskonstrukt von Trainern an Olympiastützpunkten soll ein Ende haben
Von Andreas Müller
Turn_WM_in_Antwerpen_79562552.jpg
Ihr Fall gab den Anstoß: Trainerin Gabriele Frehse

Nachdem einige ihrer Turnerinnen Ende 2020 öffentlich Schikanevorwürfe gegen Trainerin Gabriele Frehse erhoben hatten, sei die Situation auch für den Olympiastützpunkt (OSP) Sachsen »relativ dramatisch geworden«, erinnert sich dessen Chef Christian Pöhler. Der Deutsche Turnerbund (DTB) als sachlich-fachlich zuständiger Verband ließ seine Trainerin in Chemnitz fortan nicht mehr in die Halle – der OSP als arbeitsrechtlich Verantwortlicher musste tatenlos zusehen und bekam den Untersuchungsbericht zu den Vorgängen vom DTB nur geschwärzt in die Hand. »Das kann nicht sein. Wir brauchen volle Kenntnis. Ich wüsste keinen Bereich außerhalb des Sports, in dem es so etwas gibt«, wetterte Pöhlers Vorgänger Thomas Weise damals gegenüber jW. Es sei »ein Unding«, dass der Turnerbund vor Beginn eines Prozesses vor dem Chemnitzer Arbeitsgericht mehr über den Sachstand wisse als der Dienstherr, der ja das wirtschaftliche Risiko des Verfahrens trage und zugleich das arbeitsrechtliche Risiko der Kündigung, die auf Druck des Verbandes vom OSP im Frühjahr 2021 ausgesprochen wurde – und in der Klage dagegen vor dem Arbeitsgericht ein paar Monate später eine Pleite erlebte.

Noch weitaus teurer und vielleicht existentiell für den sächsischen OSP wäre eine weitere juristische Niederlage im Berufungsverfahren vor dem Landesarbeitsgericht geworden. Doch diese Verhandlung wurde vor zwei Jahren überflüssig, weil der österreichische Verband Gabriele Frehse als Nationaltrainerin für seine Frauenriege verpflichtete. Damit hatte sich der Chemnitzer Knoten überraschend aufgelöst. Diese Vorgeschichte ist wesentlich, um die praktisch untragbaren Verhältnisse rund um die insgesamt 148 OSP-Trainerinnen und -Trainer an den insgesamt 16 Olympiastützpunkten im Bundesgebiet zu verstehen.

Praktische Probleme

Als »Zwitterwesen« sind sie bei den OSPs angestellt, unterstehen jedoch im Arbeitsalltag sachlich-fachlich einzig ihren jeweiligen Fachverbänden. »Gemischte Verhältnisse« gibt es ebenfalls bei der Finanzierung, die sich hier der Bund bzw. der Spitzenverband sowie das jeweilige Bundesland sowie der betreffende Landessportverband teilen. Dies, und vor allem die Trennung zwischen »Arbeitgeber« sowie Dienst- und Fachaufsicht, prägten eine Situation, mit der nicht wenige an den OSPs über Jahre unglücklich waren, weil sie eine Reihe praktischer Probleme bedeutet. Etwa, wenn Dienstreisen an den Wochenenden im Auftrag der Verbände zur Überziehung von »Arbeitszeitkonten« führen. Die Turbulenzen in der »Causa Frehse« haben beim für Leistungssport verantwortlichen Bundesinnenministerium (BMI) und beim Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) zu der Einsicht geführt, dass dieses Konstrukt mehr Nach- als Vorteile hat. Nun soll es ein Ende finden.

Ein Prozess

»Zukünftig sollen Anstellung und Finanzierung bei den Sportfachverbänden zusammengeführt werden. Es handelt sich um einen abschmelzenden Prozess, der grundsätzlich bei den Nachbesetzungen der Stellen greift«, teilte das BMI auf jW-Anfrage mit. Wie viele der 148 Verträge bereits geändert sind, ist nicht bekannt. In Sachsen ist nach Auskunft von Christian Pöhler inzwischen die Hälfte der 22 mischfinanzierten OSP-Trainer nach den neuen Maßgaben beschäftigt. Man hat dort nicht gewartet, bis Neueinstellungen anstehen oder befristete Verträge auslaufen, sondern mit Änderungs- oder Überleitungsvarianten gearbeitet. »Es ist natürlich viel schwieriger, in bestehende Verträge einzugreifen. Das ist ein Nadelöhr, trotzdem kann es gelingen«, berichtet Pöhler und verweist auf zwei OSP-Mitarbeiter aus der Verantwortung des Deutschen Skiverbandes (DSV), die ihr »Zwitterdasein« als erste beendeten.

»Diese Vorgaben werden schon seit knapp zwei Jahren sukzessive in die Praxis umgesetzt. Ob, wann und wie das an den Olympiastützpunkten individuell geschieht, darüber entscheiden letztlich die einzelnen Fachverbände in den verschiedenen Sportarten. In Ausnahmen tun sich manche etwas schwerer damit, andere wie der DSV in der Regel leichter«, erklärt Christian Pöhler. »Es ist eben ein Prozess.« Wann genau er abgeschossen und der letzte »Altvertrag« der Vergangenheit angehört, sei nicht genau zu datieren. Für Stefan Sadlau, Pöhlers Stellvertreter als Chef am OSP in Sachsen, könnte dieser Prozess »schneller beendet sein als gedacht und relativ zügig voranschreiten«. Weil viele der betreffenden Trainerinnen und Trainer bereits in der Altersklasse der Mittfünfziger sind und in einem überschaubaren Zeitraum in den Ruhestand treten werden. Die frei gewordene Stelle von Turntrainerin Gabriele Frehse ist übrigens noch nicht nachbesetzt worden. Dies soll dem Vernehmen bis zum Sommer, spätestens bis zum Beginn der Olympischen Sommerspiele in Paris Ende Juli geschehen – und dann selbstverständlich gemäß der neuen Richtlinie von BMI und DOSB.

2 Wochen kostenlos testen

Die Grenzen in Europa wurden bereits 1999 durch militärische Gewalt verschoben. Heute wie damals berichtet die Tageszeitung junge Welt über Aufrüstung und mediales Kriegsgetrommel. Kriegstüchtigkeit wird zur neuen Normalität erklärt. Nicht mit uns!

Informieren Sie sich durch die junge Welt: Testen Sie für zwei Wochen die gedruckte Zeitung. Sie bekommen sie kostenlos in Ihren Briefkasten. Das Angebot endet automatisch und muss nicht abbestellt werden.

Mehr aus: Sport