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Aus: Ausgabe vom 17.05.2024, Seite 8 / Ansichten

Angriff auf Demokratie

Regime-Change-Pläne des Westens. Gastkommentar
Von Sevim Dagdelen
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Empörung ohne Grund: Auch westliche Länder haben Gesetze zur Begrenzung ausländischen Einflusses (Tbilissi, 1.5.2024)

Selbst das Attentat auf Robert Fico ist kein Anlass für die deutschen Politiker, die den slowakischen Ministerpräsidenten mit Hass und Hetze überzogen hatten, in sich zu gehen. Das Vergehen des Sozialdemokraten Robert Fico, sich für einen bedingungslosen Waffenstillstand in der Ukraine und ein Ende der Waffenlieferungen an Kiew einzusetzen, ist sowohl für Unionspolitiker wie Norbert Röttgen als auch Exponenten der Regierungskoalition wie dem Grünen Anton Hofreiter schier unerträglich. Nach dem Sieg des Fico-Vertrauten Peter Pellegrini bei den Präsidentschaftswahlen im vergangenen Monat hatten sie den EU-Austritt bzw. als »deutliches Warnsignal aus Berlin und Brüssel« Streichung der EU-Mittel gefordert.

Zugleich zeigen sich Politiker aus der EU in Georgiens Hauptstadt Tbilissi solidarisch mit Demonstranten, die in Teilen einen gewaltsamen Regierungssturz propagieren und Entscheidungen des georgischen Parlaments durch den Sturm auf eben dasselbe aushebeln wollen. Anlass ist ein Gesetz zur »Transparenz ausländischer Einflussnahme«, das von der Regierungsmehrheit der Partei »Georgischer Traum« angenommen wurde. Der Ukraine-Plot von 2014 droht wiederholt zu werden. Der frühere Büroleiter der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung in der Ukraine bedauert, dass es in Tbilissi heute keine faschistischen Schlägertrupps gibt wie weiland den »Rechten Sektor« in Kiew. Das verabschiedete Gesetz wird zielbewusst propagandistisch das »russische Gesetz« genannt, obwohl es mit der gleichen Berechtigung das »US-amerikanische Gesetz« heißen könnte, da die Vereinigten Staaten seit 1938 in ihrem »Foreign Agents Registration Act« ausdrücklich Rechenschaft und Transparenz von Nichtregierungsorganisation in bezug auf eine ausländische Finanzierung verlangen.

Aber um eine wirkliche Kritik an diesem Gesetz geht es nicht. Georgien soll – nicht mehr und nicht weniger – als eine zweite Front gegen Moskau eröffnet werden. Deutsche Politiker treten gegenüber Unbotmäßigen in Osteuropa dazu wie Gutsherren auf. Demokratische Entscheidungen werden schlicht nicht akzeptiert. Wer sich nicht bedingungslos in die Kriegsphalanx gegen Russland einreiht, dem drohen Zwangsmaßnahmen und Putschunterstützung. Wer in Osteuropa regiert, soll am Ende in Washington, Berlin und Brüssel entschieden werden. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass diese Politik der Gewalt, so sie erst einmal im Osten erfolgreich ist, auch im Westen propagiert werden wird. Die Verteidigung der Demokratie im Osten ist am Ende der Schlüssel zur Verteidigung der Demokratie im Westen.

Sevim Dagdelen ist außenpolitische Sprecherin der BSW-Gruppe im Bundestag

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  • Leserbrief von Roland Winkler aus Aue (17. Mai 2024 um 12:21 Uhr)
    Sevim Dagdelen hat es auf den rationalen politischen Punkt gebracht, was gerade in Georgien in bewährter westlicher Aggressionstradition der Regime-Wechsel einmal mehr versucht wird.
    Ihr Beitrag schafft zu allen bisherigen Kommentierungen Klarheit zu den Vorgängen in dem Lande.
    Der inflationäre Umgang und Zuordnung des Begriffs Demokratie scheint erklärungsbedürftig, aber es wird deutlich, welches Macht-, Herrschafts- und Interessenspiel mit diesem Volk und Land betrieben werden soll. Westliche Politik macht schamlos, brutal und aggressivst klar, was sie wirklich von Demokratie halten, was sie immer damit gemeint haben und welche „Demokratie“ sie dulden oder bekämpfen. Wer bis heute noch nichts von aller Vorgeschichte der Ukraine begriffen hat, kann an den Vorgängen in Georgien eine Lehrstunde nehmen. USA-, westliche PolitikerInnen, allen voran grüne militante Granden etablieren sich in Tbilissi wie einst auf dem Maidan. Marie-Luise Beck von den Grünen berichtete 2014 vom Hotelfenster in Kiew begeistert über die »Revolution« und das Morden. Wer steht dafür heute bereit? Es ist mehr als ein Angriff auf die Demokratie. Es ist reinste Kriegstreiberei. Mit der Demokratie Regierender in Georgien, des georgischen Volkes den Kriegstreibern allein Einhalt gebieten zu können, ist eher zweifelhaft.
    Die westlichen Demagogen, Meinungsmacher sind am Werke, wünschen sich Maidan-Zustände herbei. Mit Phrasen und Schlagworten von Demokratie, Freiheit, Menschenrechten ist es oft genug gelungen, Völker gegen seine ureigensten Interessen handeln zu lassen. Die verlogenen Heuchler und Demagogen diffamieren ein Gesetz gegen ausländische Einflussnahme als »russisches Gesetz«, machen bewusst Stimmung für einen Putsch nach westlichen Wünschen. Es ist eben bei weitem nicht so viel Demokratie in den Völkern vorhanden, zu erkennen, welche Demokratie USA, EU, NATO und Co meinen und darunter verstehen. Ob Ukraine oder Georgien, das jeweilige Volk, sein Wohl und Wehe interessiert diese PolitikerInnen nicht. Front gegen Russland, Krieg riskieren, bis alles in Scherben fällt, so sieht deren Welt der Zukunft aus. Eine ansprechende Demokratie und DemokratenInnen in Ukraine oder nun Georgien, wäre es ein leichtes zu fragen, wie sich die westliche Welt stets mit allen Mitteln gegen jeden Einfluss von außen geschützt hat und nach wie vor schützt. Es ist legitimes Recht jedes Staates, sich nicht die Demokratie von vermeintlichen Herrschern der Welt aufzwingen zu lassen. Es ist also kein russisches Gesetz. Es ist das Recht einer georgischen Regierung, Staates seine Demokratie gegen außen zu schützen. Wie stark sie sich erweisen wird gegen die westlichen Mächte, wird sich zeigen müssen. Es ist nur zu hoffen und zu wünschen, immer mehr Völker, deren Regierungen erkennen das üble Macht-spiel, ob Ukraine, Georgien oder gegen einen Fico in der Slowakei, der nicht Opfer eines wirren Einzeltäters wurde, sondern der westlichen Mordstimmung, die gegen ihn entfacht wurde. Deutsche Politik ist dabei nicht weit entfernt. Ausübende Täter sind nur eine Frage der Zeit.
  • Leserbrief von Ullrich-Kurt Pfannschmidt (17. Mai 2024 um 11:27 Uhr)
    »Auch westliche Länder haben Gesetze zur Begrenzung ausländischen Einflusses« (Bildunterschrift): In der Tat, aber hat jemand von machtvollen Demonstrationen dagegen gehört? Denn man ist hier nicht auf staatlich freigegebene Informationen und verordnete Meinungen angewiesen, wie derzeit in Russland. Um zu verhindern, dass es auch bald in Georgien so weit kommt, demonstrieren die gewiss nicht wenigen georgischen Demonstranten. Dazu mussten sie nicht von einer Handvoll Dunkelmänner aufgewiegelt werden. - Weshalb hätten die deutschen Politiker wegen des Attentats auf R. Fico »in sich gehen« müssen? Politiker aller Länder, auch die deutschen, haben dieses Attentat in aller Form verurteilt. Dass Ficos nahtlose Übereinstimmung mit W. Putins Politik hierzulande nicht konsensfähig ist (außer vielleicht bei der AfD), steht auf einem anderen Blatt!
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Martin M. aus Hartberg (16. Mai 2024 um 20:35 Uhr)
    Titel der franz. Zeitung Liberation: Robert Fico: ein Opportunist, ähnliches steht in der öst. Zeitung Die Presse, um danach auf das Attentat gegen Fico zu kommen. Also Feuer frei auf Opportunisten wie Macron, Trump, Scholz & Co?

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