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Aus: Ausgabe vom 17.05.2024, Seite 6 / Ausland
Niederlande

Wilders (vorerst) am Ziel

Niederlande: Koalitionsvertrag mit radikalen Einschnitten unter Führung von rechter PVV steht. Posten des Premiers noch nicht vergeben
Von Gerrit Hoekman
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Gern im Rampenlicht: Rechtsausleger Wilders (M.) nach Vorstellung der Koalitionsvereinbarung (Den Haag, 16.5.2024)

Rund ein halbes Jahr hat es gedauert, nun haben die Niederlande eine neue Regierungskoalition. Am Donnerstag um zwei Uhr nachts unterschrieben die vier Parteien PVV, VVD, NSC und BBB den Koalitionsvertrag. Das 26 Seiten starke Papier trägt den kernigen Titel »Hoffnung, Mut und Stolz«. Der nächste Schritt ist jetzt die Verteilung der Ministerien. Der Ministerpräsident wird übrigens von außerhalb des Parlaments kommen und keine der vier Parteien vertreten. Als Favorit wird der Sozialdemokrat Ronald Plasterk gehandelt.

Der Traum des rechten Wahlsiegers Geert Wilders Regierungschef zu werden, war schon vor einiger Zeit ausgeträumt. Dilan Yeşilgöz, Nachfolgerin von Mark Rutte als Kandidatin der rechtsliberalen VVD, und Pieter Omtzigt, der große Zampano in der jungen NSC (Nieuw Sociaal Contract, Neuer Gesellschaftsvertrag), machten Wilders schnell klar, dass es mit ihm als Premierminister keine Koalition geben wird. Man einigte sich schließlich darauf, dass sie allesamt Fraktionsvorsitzende bleiben. Wilders scheint trotzdem sehr zufrieden. »Die PVV, meine eigene Partei, kommt ins Kabinett. Ins Zentrum der Macht. (…) Von der größten Oppositionspartei werden wir in einem Zug die größte Regierungspartei. Die Niederlande werden sicherer und die Sonne wird wieder scheinen. (…) Ich verspreche, die Niederlande werden wieder uns gehören«, sagte er am Donnerstag auf einer Pressekonferenz.

Der Koalitionsvertrag kündigt die »schärfste Asylpolitik aller Zeiten« an: »Die Niederlande müssen strukturell zur Kategorie der Mitgliedstaaten mit den strengsten Zulassungsregeln in Europa gehören«, zitierte die öffentlich-rechtliche NOS am Donnerstag aus dem Papier. Die Regierung will eine »Asylkrise« ausrufen. Neue Anträge bleiben unbearbeitet, wenn es nicht genügend Unterkünfte für Asylsuchende gibt. Wer abgelehnt wird und nicht mit den Behörden bei der Rückkehr ins Heimatland kooperiert, macht sich strafbar. Die Maßnahmen der Koalition »sollen Flüchtlingen den Aufenthalt in den Niederlanden so unangenehm wie möglich machen«, schimpfte Frank Candel, der Vorsitzende des Flüchtlingswerks Niederlande gegenüber NOS. Auf Drängen des NSC soll das Land erstmals ein Verfassungsgericht erhalten. Die BBB (Boer Burger Beweging) hat für die Bauern durchgesetzt, dass die Reduzierung des Viehbestandes vom Tisch ist. Kleine Naturschutzgebiete sollen nicht länger geschützt werden.

Insgesamt sehen die Koalitionäre 14,7 Milliarden Euro an Mehrausgaben vor. Unter anderem sollen für eine Milliarde 100.000 Wohnungen pro Jahr gebaut werden. Für Unternehmen und mittlere Einkommen wird es Steuererleichterungen geben. Die Selbstbeteiligung im Gesundheitswesen wird ab 2027 auf 165 Euro pro Jahr und Person halbiert. Diese Mehrkosten sollen an anderer Stelle eingespart werden: etwa durch die Verringerung der Anzahl der Beamten, durch Kürzungen in der Entwicklungshilfe und den Subventionen für nachhaltige Energie. Statt dessen sollen zusätzlich zu dem bereits vorhandenen Kernkraftwerk in Borssele auf Zeeland vier neue AKW in Betrieb gehen. »Diese Vereinbarung wird unsere Gesellschaft nicht stärken, sondern sie weiter spalten und die Ungleichheit vergrößern«, betrachtet Jimmy Dijk, der neue Anführer der Socialistische Partij, den Vertrag laut der Agentur ANP als »für reiche Rechte« gemacht, weil große Vermögen und Rekordgewinne verschont bleiben.

Die größte Gewerkschaft des Landes, die FNV, steht ebenfalls unter Schock: »Wir haben erwartet, dass der öffentliche Sektor und die Beschäftigten ins Visier genommen werden, aber das geht über alle Grenzen hinaus«, sagte FNV-Chef Tuur Elzinga in den Medien. Es werde nichts für die Menschen getan, die schwer arbeiten müssen. »Unterdessen werden die Steuern für die Reichsten und ihr Vermögen gesenkt.« Die angekündigte Kürzung des Arbeitslosengeldes sei ein direkter Angriff auf die Gewerkschaft. »Wir werden uns auf einen harten Kampf gegen diese desaströsen Pläne vorbereiten!«, kündigte Elzinga an.

Bleibt die Hoffnung, dass dieser Koalition kein langes Leben beschert sein könnte. Eine Liebesheirat ist es jedenfalls nicht. Schon bei der Zusammenstellung des Kabinetts und der Auswahl des Premierministers könnte der Streit wieder losgehen.

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