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Aus: Ausgabe vom 17.05.2024, Seite 3 / Schwerpunkt
NATO-Manöver

Manöver in Serie

Mehr als 12.000 deutsche Soldaten bei »Quadriga 2024« involviert. Größte NATO-Luftlandeübung seit Ende des Kalten Kriegs endet
Von Jörg Kronauer
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Sandkastenspiele mit Stoßrichtung Moskau: »Heimatschutzkräfte« der Bundeswehr während Übung im Rahmen von »Quadriga 2024«

Sie ist das größte NATO-Luftlandemanöver seit dem Ende des Kalten Kriegs: die Übung »Swift Response«, die in dieser Woche ihre Hauptphase durchlief. Das Szenario: Truppen eines feindlichen Landes haben einen NATO-Staat angegriffen und dort einen Flugplatz erobert; es geht nun darum, sie zurückzuschlagen. Das sollen rund 4.500 Soldaten aus acht NATO-Ländern unter Führung der deutschen Division Schnelle Kräfte (DSK) tun. Ende April ist die rasche Verlegung von Material und Soldaten auf den Luftwaffenstützpunkt Pápa in Ungarn gestartet worden; die Air Base dient als Drehscheibe für die Operationen. Anfang dieser Woche hat der Einsatz begonnen: 1.500 Fallschirmjäger, darunter 1.000 deutsche, sprangen in der Nähe der rumänischen Orte Turda und Cincu aus einer Höhe von lediglich 400 Metern ab, marschierten durch ein Dorf und machten sich daran, den Flugplatz zu erobern. Militärs der deutschen Luftlandebrigade 1 aus dem Saarland schafften dies schließlich nach heftigen Kämpfen. Die NATO vermeldete Erfolg.

Die Übung »Swift Response«, die am Sonnabend offiziell zu Ende geht, ist Teil einer Manöverserie der Bundeswehr: »Quadriga 2024«. Diese hat ihren Namen von der Skulptur auf dem Brandenburger Tor, die wiederum – so beschreibt es die Bundeswehr – »symbolisch für Freiheit, Einigung und Stärke steht«. Quadriga 2024 hat im Februar begonnen und dauert noch bis Ende Mai an. Mit ihren vier Elementen ist die Übung der deutsche Beitrag zu »Steadfast Defender 2024«, dem größten NATO-Manöver seit den späten 1980er Jahren. Auch Quadriga 2024 hat gewaltige Dimensionen; gut 12.000 deutsche Soldaten sind involviert. Außerdem ist der geographische Radius der Übungen bemerkenswert. Begonnen hat die Serie mit der Teilübung »Grand North«, in deren Rahmen deutsche Soldaten nach Nordnorwegen verlegten, darunter Angehörige der DSK, die jetzt bei »Swift Response« in Ungarn und Rumänien, nicht weit vom Schwarzen Meer, unterwegs war. »Swift Response« zählt ihrerseits zum Quadriga-Element »Grand South«.

Zu »Quadriga 2024« gehören noch zwei weitere Elemente: »Grand Center«, bereits Ende April abgeschlossen, und »Grand Quadriga«, das noch bis zum 30. Mai fortgesetzt wird. Beide hatten bzw. haben die Verlegung deutscher Truppen nach Litauen und Kampfhandlungen dort zum Gegenstand – in Litauen, wo künftig eine vollständige deutsche Brigade dauerhaft stationiert sein wird. So übten Anfang dieser Woche beim litauischen Ort Pabradė, während deutsche Fallschirmjäger in Rumänien die Eroberung eines Flugplatzes probten, Soldaten der Deutsch-Französischen Brigade den Orts- und Häuserkampf. Mit Blick auf die dafür erforderlichen Verlegungen deutscher Truppen, die ein zentraler Teil von »Quadriga 2024« sind, hatte der Generalinspekteur der Bundeswehr, Carsten Breuer, im April angekündigt: »Es wird lauter und es wird voller werden auf Deutschlands Schienen, aber auch auf Deutschlands Straßen.« In der Bundesrepublik gebe es ab sofort mehr »Flecktarn auf der Autobahn«.

Dies allerdings auch, weil Deutschland in den Planungen der NATO nicht mehr nur als Truppensteller für militärische Operationen an der NATO-Ostflanke, sondern vor allem als Drehscheibe für die Verlegung von Truppen anderer NATO-Staaten aus Westeuropa in Richtung Russland dient, darunter insbesondere in Europa ankommende US-Truppen. Damit nehmen die Militärtransporte über deutsches Territorium stark zu. Zugleich wächst der Bedarf der NATO an logistischen Dienstleistungen für durchziehende Truppen. Damit dies nicht allzu große Teile der Bundeswehr bindet – die Streitkräfte sollen ja schließlich im Falle eines Kriegs im Osten kämpfen –, baut die Bundeswehr jetzt beschleunigt sogenannte Heimatschutzregimenter auf, die aus Reservisten rekrutiert werden und logistische Aufgaben wie auch den Schutz von Infrastruktur übernehmen sollen. Im Rahmen der Übung »National Guardian« nahmen auch Heimatschutzkräfte an »Quadriga 2024« bzw. »Steadfast Defender« teil – eine Premiere: Es sei das erste Mal, dass Reservisten in ein NATO-Manöver eingebunden worden seien, hieß es bei der Bundeswehr; sie hätten dabei auch mit nichtmilitärischen Kräften kooperiert, beispielsweise mit dem THW und dem Roten Kreuz.

Mehr als 250 Heimatschutzkräfte waren unter anderem beteiligt, als Anfang Mai im Hafen von Rostock über 150 Gefechtsfahrzeuge der 10. Panzerdivision eingeschifft wurden, um im litauischen Klaipėda an Land zu gehen. In Litauen beteiligte sich die Division Anfang dieser Woche am Manövergeschehen bei Pabradė, wo Soldaten der Deutsch-Französischen Brigade den Orts- und Häuserkampf probten, während im fernen Rumänien Fallschirmjäger der DSK einen vom Feind besetzten Flugplatz einnahmen. Im Rahmen des Großmanövers »Quadriga 2024« zeigt sich die gesamte Spannbreite, die ein Krieg gegen Russland hätte – geografisch und militärisch.

Hintergrund: »Neutralität« in der Praxis

War er auf dem Weg zu einer Teilübung von »Steadfast Defender«, der US-Militär-Lkw, der Mitte März, in einem Konvoi fahrend, in Salzburg ein Verkehrschaos verursachte, als er dort eine Oberleitung abriss? Klar ist nur, dass er auf dem Weg aus Slowenien zu einem NATO-Manöver in Deutschland war. Das allein ist aber schon bemerkenswert – denn offiziell ist Österreich militärisch neutral. Zur Neutralität passt es natürlich schlecht, das eigene Territorium für Militärtransporte im Rahmen des größten NATO-Manövers seit dem Ende des Kalten Kriegs zur Verfügung zu stellen, das auch noch völlig offen der Vorbereitung eines heißen Kriegs gegen Russland dient. Apropos Militärtransporte: Soll man tatsächlich glauben, dass die Züge und die Lkw, die ab Ende April Material für das Manöver »Swift Response« aus Bayern nach Ungarn brachten, wirklich alle den komplizierten Umweg über Tschechien und die Slowakei statt der direkten, bestens ausgebauten Route entlang der Donau nahmen?

Die Frage stellt sich um so mehr, als Österreich, die Schweiz, Irland und Malta – die letzteren drei sind offiziell gleichfalls militärisch neutral – kürzlich einen Brief an die NATO geschickt haben, in dem sie um eine engere Zusammenarbeit bitten. Man bleibe natürlich neutral, hieß es dazu von der Regierung in Wien. Neutralität heiße heute aber, »aktiv und solidarisch an der Lösung gemeinsamer Herausforderungen mitzuarbeiten«. In diesem Sinn plädierten die vier Staaten in ihrem Brief nach Brüssel, aus dem die Tageszeitung Die Presse zitierte, dafür, zukünftig stärker in den »Austausch« des Militärbündnisses einbezogen zu werden. Im Gegenzug sei man »zur Verbesserung der Interoperabilität« bereit. Eine Antwort aus Brüssel ist bislang noch nicht bekannt. Doch könnte die »schwarz-grüne« Koalition in Wien in Sachen Interoperabilität problemlos in Vorleistung treten: einfach die Oberleitungen höher hängen. (jk)

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