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Aus: Ausgabe vom 14.05.2024, Seite 6 / Ausland
Südostasien

Staffelübergabe im Stadtstaat

Singapur: Erst vierter Premier seit Unabhängigkeit übernimmt Regierung. Bisheriger Amtsinhaber als graue Eminenz weiter dabei
Von Thomas Berger
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Verstehen sich gut: Shakehands zwischen dem alten (l.) und dem neuen Regierungschef Singapurs (16.4.2024)

In den sechs Jahrzehnten seines Bestehens als eigenständiges politisches Gebilde hatte Singapur erst drei Regierungschefs. Diese Woche nun findet ein weiterer Generationswechsel statt: Am Mittwoch übernimmt der bisherige Vize Lawrence Wong die Amtsgeschäfte von Premierminister Lee Hsien Loong, der den Stadtstaat die letzten 20 Jahre geführt hat. Lee, der am Donnerstag seine letzte Kabinettssitzung leitete, wird sich aber keineswegs in den Ruhestand zurückziehen, sondern seinem Nachfolger als sogenannter Senior Minister, gewissermaßen graue Eminenz, zur Seite stehen. Auch dieses Verfahren hat im nominell demokratischen, aber seit Staatsgründung autoritär geprägten Singapur, wo alles scheinbar perfekt durchorganisiert ist, seine Tradition.

Der scheidende Regierungschef ist der älteste Sohn des als »Gründungsvater« verehrten, 2015 im Alter von 91 Jahren verstorbenen Lee Kuan Yew. Dieser war noch zu britischen Kolonialzeiten 1959 zum Premier aufgestiegen, hatte fünf Jahre zuvor die bis heute dominierende, moderat konservative People's Action Party (PAP) mitgegründet und stand dem boomenden Stadtstaat, der es mit seinem immensen Reichtum und stetigem Modernisierungsdruck zur bisher einzigen Industrienation Südostasiens gebracht hat, bis 1990 vor. Dann übernahm für knapp anderthalb Jahrzehnte sein vorheriger Vize Goh Chok Tong, bis 2004 schließlich der damals 52jährige Lee Hsien Loong als reif genug für das machtvollste politische Amt erachtet wurde und dieses wieder in familiäre Hände überging.

In seiner Amtszeit wurde unter anderem 2010 das zu einem der Wahrzeichen des Stadtstaates gewordene Casinohotel Marina Bay Sands eingeweiht, auch die kleine Delle durch die globale Finanzkrise hatte Singapur da in zwei Jahren wieder wettgemacht. Ebenso fielen in seine Ära wichtige Sozialreformen wie die Einführung der Fünftagewoche, verlängerter Mutterschutz und Ende 2022 die endgültige Abschaffung jenes von 1938 aus der Kolonialzeit stammenden und schon seit 2007 de facto nicht mehr angewandten Gesetzes, das einvernehmlichen Sex unter erwachsenen Männern unter Strafe gestellt hatte.

An den Grundprinzipien des Staates wurde auch unter Lee Hsien Loong nicht gerüttelt. Jedes Schüren von Spannungen zwischen den drei Bevölkerungsgruppen – den dominierenden Chinesen sowie den indischen und malaiisch-muslimischen Minderheiten – ist ein Tabu, diskriminierende Vergehen werden hart bestraft. Singapur müsse sich weiter für dringend gebrauchte ausländische Arbeitskräfte öffnen, betonte Lee in einem seiner letzten Interviews als Premier, diese gelte es aber auch gut in die Gesellschaft zu integrieren. Der Stadtstaat ist gerade im Niedriglohnsektor auf migrantische Arbeitskräfte angewiesen. Im Baugewerbe ist ihr Anteil besonders hoch, was in der Coronazeit – auch für Singapur eine Herausforderung – zur Verzögerung bei vielen Projekten führte. Als Erfolg seiner Amtszeit rechnet sich Lee ausdrücklich den Ausbau der sozialen Sicherungssysteme etwa mit Lohnaufstockungen für Geringverdiener, erweiterten Krankenversicherungsleistungen und anderen Programmen an. Eine zunehmend alternde Bevölkerung wird allein die Gesundheitsausgaben von derzeit 2,3 bis 2030 auf rund 3,5 Prozent des BIP steigen lassen. Lee räumte aber selbst ein, dass Singapur auch eine vergleichsweise geringe Steuerlast habe.

Lawrence Wong hat die letzten drei Jahre als Finanzminister gewirkt, seit Mitte 2022 zudem als Vizepremier. Der Ökonom und Verwaltungsfachmann wird den politischen Kurs beibehalten. Einer wichtigen Herausforderung wird er sich jedoch innenpolitisch stellen müssen: Die deutlich selbstbewusstere Opposition, bis 1984 gut zwei Jahrzehnte sogar ganz aus dem Parlament verdrängt, hat zuletzt bei Wahlen stetig zulegen können.

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