Klimakatastrophe nimmt ihren Lauf
Von Wolfgang PomrehnWas die Klimakrise für die Lebensmittelpreise bedeuten kann, hat in den vergangenen Wochen der Kakaopreis gezeigt. Erst kletterte er im April auf ein Allzeithoch von 12.000 US-Dollar pro Tonne, um dann vergangene Woche wieder auf 9.000 US-Dollar pro Tonne abzusacken. Das ist zwar ein starker Rückgang, aber immer noch im oberen Bereich des lange Zeit Üblichen. Schlechte Ernten in Westafrika aufgrund von Trockenheit sind die Ursache für den starken Preisanstieg. Die Dürre in der Region sei die schlimmste seit mindestens 21 Jahren, schreibt die Plattform African Business. Brände in einer Plantage hätten die Situation zusätzlich verschlechtert. Nachrichten über Regen in Ghana und an der Elfenbeiküste sorgten schließlich für den Preisrückgang. Die beiden Länder sind die weltweit größten Kakaoproduzenten. Nun macht Kakao sicherlich eher einen kleinen Posten im Budget hiesiger Verbraucher aus. Schlimmer trifft es Kakaobauern, die vom Ertrag ihrer Plantagen abhängig sind. Bei ihnen bleibt ohnehin nur ein geringer Teil der Einnahmen hängen, so African Business. Den meisten Gewinn würden die industriellen Verarbeiter machen, die meist in Europa und Nordamerika sitzen.
Größere Sorgen müssen sich die Verbraucher hierzulande über Verteuerung anderer Lebensmittel machen. Zum Beispiel hat sich der Preis für Olivenöl in den Supermärkten in den letzten Monaten nahezu verdoppelt. Auch hier ist Extremwetter die Ursache. Rund ums Mittelmeer gab es 2023 schwere Dürren. In Spanien etwa ging die Ernte um 30 bis 50 Prozent zurück. In dortigen Supermärkten sei das traditionsreiche Speiseöl zum am häufigsten gestohlenen Produkt avanciert, berichtete die Plattform Carbon Brief.
England wiederum hat die niederschlagsreichsten anderthalb Jahre seit 1836 hinter sich, schrieb die britische Zeitung Guardian. Das Ergebnis: erhebliche Ernteausfälle, weil die Pflanzen auf den Feldern geschädigt wurden oder die Bauern nicht in der Lage waren, die Saat auszubringen. Die Getreideernte werde in diesem Jahr deshalb deutlich geringer ausfallen, die Preise für Brot und Bier dürften stark ansteigen.
Doch das ist erst der Anfang. Der Guardian hat in diesen Tagen die weltweit führenden Klimawissenschaftlerinnen und Klimawissenschaftler befragt, wie weit die globalen Temperaturen ihrer Meinung nach noch steigen werden. Dabei ging es den Londoner Kollegen ausnahmsweise mal weniger um die Was-wäre-wenn-Prognosen der Klimamodelle. Die Forschenden sollten abschätzen, was die Menschheit aus ihren Erkenntnissen für Konsequenzen ziehen wird.
Die pessimistischen Antworten sind erschütternd. Fast 80 Prozent der Befragten gehen davon aus, dass sich das globale Klima um mindestens 2,5 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau erwärmen wird. 1,2 bis 1,3 Grad Celsius sind davon bereits im mehrjährigen Durchschnitt erreicht. Gretta Pecl von der Universität von Tasmanien (Australien) erklärte in der Zeitung, sie gehe davon aus, dass es schon in den nächsten fünf Jahren zu größeren gesellschaftlichen Verwerfungen kommt. Alle Befragten stimmten allerdings darin überein, dass Pessimismus kein Grund sei, die Hände in den Schoß zu legen. Jedes Zehntel Grad würde die Folgen verschlimmern.
Befragt wurden die Hauptautorinnen und -autoren der Berichte des sogenannten UN-Klimarats IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change). Im Auftrag der 195 IPCC-Mitgliedstaaten tragen diese Forscher in regelmäßigen Abständen den Kenntnisstand der Klimawissenschaften zusammen. Mehr als 400 Wissenschaftler haben an der Befragung teilgenommen, und alle waren sich darin einig, dass drastische Schutzmaßnahmen ergriffen werden müssen. »Der Fortbestand der menschlichen Zivilisation ist durch die Klimakatastrophe extrem gefährdet«, heißt es dementsprechend auch in einer Anfang der Woche veröffentlichten Stellungnahme von über hundert in Deutschland arbeitenden Klimawissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern. »Wir müssen jetzt, wenn auch mit Jahren Verspätung, radikal umsteuern.«
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