Nationaler Dialog in Mali ohne Opposition
Von Jakob ReimannIn dieser Woche haben sich in Mali Tausende Delegierte getroffen, um über den Frieden und die Zukunft des Landes zu verhandeln. Ineinandergreifende Konflikte zwischen der Putschregierung unter Offizier Assimi Goïta, separatistischen Tuareg-Gruppen sowie verschiedenen dschihadistischen Milizen lähmen das krisengeplagte westafrikanische Land. Doch auch dieses »Nationaler Dialog« genannte, auf »Frieden, Sicherheit und nationale Versöhnung« ausgelegte Format war von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Denn zwar waren mehr als 3.000 Delegierte zu den Konsultationen geladen, berichtete West Africa Democracy Radio Anfang der Woche. Doch die wesentlichen Oppositionsgruppen boykottierten das Format.
In seiner Neujahrsansprache hatte Präsident Goïta die Einrichtung eines »direkten intermalischen Dialogs für Frieden und Versöhnung« angekündigt. Nach Jahren ausländischer Einflussnahme wolle er nun »die nationale Eigenverantwortung für den Friedensprozess in den Vordergrund stellen«. Doch Themen wie die nationale Einheit oder die territoriale Integrität des malischen Staates sollten dabei nicht zur Debatte stehen, so Goïta weiter, der lediglich versprach, den Kampf gegen »bewaffnete terroristische Gruppen« voranzutreiben. Neben den Dschihadisten, mit denen sich Bamako im Krieg befindet, meint die Militärführung mit dieser Bezeichnung auch die Tuareg-Gruppen. Deren Vertreter lehnten das Format daher von Anfang an ab; dieses sei »bloß eine Täuschung«, erklärte Sprecher Mohammed Elmaouloud Ramadane gegenüber AFP. Der sogenannte Friedensdialog diene dazu, das Abkommen von Algier aus dem Jahr 2015 »endgültig für null und nichtig zu erklären und die internationale Vermittlung zu beenden«.
Das von Algerien und mehreren internationalen Akteuren vermittelte Friedensabkommen war von der Goïta-Regierung bereits im Januar aufgekündigt worden. Auf seiner Grundlage sollte der Bürgerkrieg zwischen der Zentralregierung und separatistischen Gruppen der Tuareg im Norden beigelegt werden. Neben der Dezentralisierung politischer Strukturen sollten durch die Bildung einer nationalen Armee unter Einbeziehung der separatistischen Milizen und mit Auferlegung eines Programms zur wirtschaftlichen Entwicklung, insbesondere im Norden, die Spannungen abgebaut werden. Doch die Umsetzung erfolgte schleppend, was auch daran liegt, dass die Unterhändler der Tuareg vom Dokument nicht überzeugt und vielmehr zur Unterschrift gedrängt worden waren. »Keine der fünf Säulen des Abkommens wurde zufriedenstellend umgesetzt«, hieß es fünf Jahre nach Unterzeichnung in einem Bericht der International Crisis Group.
Seit dem Staatsstreich 2020 und dem »Putsch im Putsch« im Jahr darauf verschärften sich die Spannungen zwischen Bamako und den nördlichen Separatisten zusehends. Die Regierung näherte sich Russland an und ging eine Kooperation mit den Söldnern der »Wagner«-Gruppe ein, die zusammen mit den malischen Truppen gegen die Separatisten im Norden kämpfen. Im August 2023 flammten die Kämpfe erneut auf, als sich die UNO aus einer Basis im nordöstlichen Kidal zurückzog. »Das malische Militär hat die Kontrolle über die Stadt Kidal erlangt«, meldete Africa News damals. »Damit hat die Armee die Hochburg der Tuareg-Rebellen zum ersten Mal seit fast einem Jahrzehnt wieder unter Kontrolle.«
Das Friedensabkommen von Algier bestand schon lange nur noch auf dem Papier. Dennoch bezog sich auch die Bundesregierung in ihrem jährlich zu erneuernden Mandat für den Bundeswehr-Einsatz bis zuletzt auf das Dokument von 2015. Deutschland war über zehn Jahre lang mit bis zu 1.400 Soldatinnen und Soldaten vor Ort und wurde nach zunehmenden antieuropäischen Ressentiments wie zuvor schon Frankreich Ende vorigen Jahres von der Regierung aus dem Land geworfen. Mit dem Versuch, das vom Bürgerkrieg geplagte Land zu stabilisieren, verfolgten europäische Truppen wie auch bei anderen Einsätzen im Sahel, etwa in Burkina Faso und Niger, in erster Linie das Ziel, Asylsuchende an der Flucht nach Europa zu hindern sowie den Export wichtiger Rohstoffe wie Gold und Uran abzusichern.
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