EU löst sich von China
Von Alexander ReichDie Stimmung europäischer Unternehmen in China ist auf dem Tiefpunkt. Seit 20 Jahren fragt die EU-Handelskammer in Beijing bei ihren Mitgliedern das Geschäftsklima ab. Nie waren die Ergebnisse so schlecht, wie die am Freitag vorgestellten. Jeder vierte Betrieb blickt pessimistisch in die nähere Zukunft. In der Vorjahresumfrage lag der Anteil noch bei neun Prozent. Die Quote der Optimisten sank von 55 Prozent auf den Tiefstand von 32 Prozent. Die Mehrzahl der Mitglieder, zu denen Konzerne wie BASF, Mærsk, Siemens oder Volkswagen gehören, will ihre Kosten senken, etwa durch Stellenabbau. »Ursprünglich für China geplante« Investitionen würden auf andere Märkte umgeleitet, so der Kammerbericht. Vielfach würden in China erzielte Gewinne nicht mehr dort investiert.
Die von den Unternehmen angeführten Gründe sind bekannt: schwächelnde Konjunktur, ungelöste Immobilienkrise, hochverschuldete Kommunen und Überkapazitäten, vor allem im Baugewerbe und der Autoindustrie. Dazu kommen »geopolitische Spannungen«. Siemens und Co. müssen damit rechnen, dass die EU ihre protektionistischen Drohungen wahr macht und Strafzölle auf chinesische Einfuhren verhängt. Das Risiko von Gegenreaktionen aus Beijing ist kaum hoch genug einzuschätzen und soll nun minimiert werden.
Gegen den Konfrontationskurs hat sich Ungarn in Stellung gebracht, der einzige EU-Partner in Chinas »Neuer Seidenstraße«. Mit Krediten aus Beijing werden 350 Bahnkilometer zwischen Budapest und Belgrad finanziert. Im ostungarischen Debrecen wird eine riesige CATL-Batteriefabrik errichtet. Und der weltgrößte E-Autobauer BYD wird in Ungarn sein erstes Montagewerk in Europa bauen. Am Freitag beendete der chinesische Präsident Xi Jinping in Budapest seine Europareise. 18 Verträge über bilaterale Kooperationen, etwa im Bereich Kernenergie, wurden unterschrieben. Xi sprach von einer »allwettertauglichen strategischen Partnerschaft«.
Ungarn wird in der zweiten Jahreshälfte die EU-Ratspräsidentschaft innehaben, aber, wenn überhaupt, nur das Schlimmste verhindern können. Tonangebend bleibt die BRD. Und deren wichtigster Handelspartner war im ersten Quartal, wie am Donnerstag bekanntwurde, zum ersten Mal seit acht Jahren nicht China, sondern die USA.
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Die Verlagerung großer Teile der westlichen Schwerindustrie nach China ist ein deutliches Zeichen dieser engen wirtschaftlichen Bindungen. Dieser Trend hat dazu geführt, dass NATO-Länder Schwierigkeiten haben, den Munitions- und Waffenbedarf der Ukraine zu decken, da sie viele Teile dieser Güter aus China importieren müssen. Die Globalisierung, die diesen Prozess vorangetrieben hat, birgt sowohl Vor- als auch Nachteile und kann nicht sofort rückgängig gemacht werden.
In der EU werden sogar zunehmend nationale Interessen vertreten, da der Wohlstandsrückgang dazu zwingt, dass Länder ihre eigenen Prioritäten setzen müssen. Dies zeigt sich auch in der herzlichen Aufnahme, die Chinas Staatschef Xi Jinping bei seinen Besuchen in Frankreich, Serbien und Ungarn erhielt. Diese Länder setzen auf Chinas »Neue Seidenstraße« und streben nach weiteren vorteilhaften Handelsbeziehungen und Kooperationen. Die Balkanroute könnte für China zum Einfallstor werden, um Exportgüter vom Hafen Piräus in Griechenland bis ins Zentrum Mitteleuropas zu transportieren.
Natürlich ist in dieser fünfzigjährigen Geschichte nur ein »Wimpernschlag« in den dreitausendjährigen Aufzeichnungen der chinesischen Geschichte. Festzustellen ist jedoch, dass, wenn dieser Erfolg anhält, die KP-Dynastie in die Geschichtsbücher eingehen wird. Übrigens betrachtet China jede Dynastie gesegnet, die Frieden und Wohlstand gebracht hat oder bringt.