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Aus: Ausgabe vom 08.05.2024, Seite 16 / Sport
Radsport

Der Plan vom Double

Tadej Pogačar möchte in diesem Jahr den Giro d’Italia und die Tour de France gewinnen
Von Holger Römers
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Er hat Bock: Tadej Pogačar im Maglia Rosa (5.5.2024)

Bevor Tadej Pogačar (UAE Team Emirates) am Sonnabend zu seinem Giro-Debüt antrat, schien ausgemacht, dass er sich das rosa Trikot bald überstreifen würde. Denn die vom Veranstalter gewählte ungewöhnliche Dramaturgie sah vor, dass zwei bergige Etappen im Piemont den Auftakt zur 107. Italien-Rundfahrt bilden würden. In der Startliste war freilich niemand verzeichnet, der es auf solchem Terrain mit dem 25jährigen Slowenen aufnehmen könnte. So blieb nur offen, ob der haushohe Favorit gleich die Gesamtwertung vorentscheiden würde. Und zumindest in dieser Hinsicht ist die Bilanz der ersten drei Renntage mehrdeutig.

Zwar schlug UAE am schwersten Anstieg der ersten Etappe ein solches Tempo an, dass schon über 20 Kilometer vorm Ziel mit dem Vorjahressechsten Thymen Arensman (Ineos Grenadiers) sowie dem einstigen Tour-Zweiten Romain Bardet (Team DSM-Firmenich/Post NL) zwei der prominentesten Podiumsanwärter abgehängt waren. Als Pogačar an einer unkategorisierten knackigen Rampe – drei Kilometer vorm Turiner Ziel – dann selbst in die Offensive ging, konnte ihm aus dem verbliebenen Peloton wiederum nur Jhonatan Narváez (Ineos Grenadiers) folgen. Und aus einer kleinen Spitzengruppe, die Maximilian Schachmann (Bora-Hansgrohe) 13 Kilometer zuvor initiiert hatte, hielt allein der 30jährige Deutsche den Anschluss ans überholende Duo. Im Dreiersprint musste Pogačar sich – durchaus überraschend – beiden Kontrahenten geschlagen geben, so dass Tagessieger Narváez auf der zweiten Etappe das Führungstrikot trug.

Dem 27jährigen Ecuadorianer war der Schlussanstieg zum Santuario di Oropa allerdings erwartungsgemäß zu schwer. Und auch sonst konnte niemand mithalten, als Pogačar viereinhalb Kilometer vorm Ziel angriff. Zwar versuchte Ben O’Connor (Decathlon AG2R La Mondiale Team) zu folgen, doch der 28jährige Australier, der als Tour-Vierter von 2021 und solider Zweiter der vor zwei Wochen beendeten Tour of the Alps zu den Podiumskandidaten gerechnet wird, bezahlte für die Tempoverschärfung schließlich mit einer Minute Rückstand. Zu weiteren Top-ten-Anwärtern, die nun einbrachen, gehörten die italienische Nachwuchshoffnung Antonio Tiberi und sein routinierter Landsmann Damiano Caruso (beide Bahrain-Victorious), der Giro-Zweite von 2021.

Dagegen erfüllte der Vorjahreszweite Geraint Thomas (Ineos Grenadiers) die Erwartungen, indem er am Sonnabend den Rückstand aufs Spitzentrio begrenzte und am Sonntag Dritter wurde. Dass der 37jährige Brite dabei auf der Ziellinie von Daniel Felipe Martínez (Bora-Hansgrohe) überholt wurde, ließ wiederum dessen Aufholjagd um so imponierender wirken, denn der 28jährige Kolumbianer war noch während des Schlussanstiegs von einem Defekt aufgehalten worden. Vielleicht kann er dieses Jahr noch besser abschließen als 2021, als er Fünfter wurde.

Dass Martínez am Montag als Gesamtdritter kaum zu sehen war, spricht jedenfalls dafür, dass er die dritte Etappe zur maximalen Erholung nutzte. Zwar hatten die bei diesem Giro besonders zahlreich vertretenen Sprinter eine auf halber Strecke anberaumte Zwischensprintwertung zum Anlass genommen, um danach eine knappe Stunde als Ausreißer zu fahren. Am Zielort Fossano kam es aber schließlich doch zum erwarteten Sprint des Pelotons, den der 31jährige Belgier Tim Merlier (Soudal Quick-Step) vor dem Vorjahressieger der Punktewertung, dem 23jährigen Italiener Jonathan Milan (Lidl-Trek), und dem ein Jahr älteren Eriträer Biniam Girmay (Intermarché-Wanty) gewann.

Vorübergehend war freilich ein weiterer Tagessieg des Gesamtführenden möglich erschienen, als Pogačar einen von Mikkel Frølich Honoré (EF Education-Easy Post) unternommenen Ausreißversuch drei Kilometer vorm Ziel konterte – und Thomas zur Begleitung zwang. Dass der Slowene, obwohl er bereits eine Dreiviertelminute Vorsprung im Klassement hat, die Gelegenheit zum spontanen Angriff nutzte, ist entweder seiner lustbetonten Fahrweise zuzurechnen – oder dem Kalkül, den Gesamtsieg so früh wie möglich zu sichern, um Kräfte für die Tour de France zu sparen. Da er schon fürs Double plant, ist zudem denkbar, dass er beim Giro noch gar nicht jene Höchstform erreicht, die ihm wohl auch Sonnabend und Montag einen Sieg ermöglicht hätte. Und schließlich könnten die Hintergedanken an die nächste Grand Tour ihn womöglich auch anfälliger für kleine Unachtsamkeiten machen. Wie schnell der Giro verloren gehen kann, war am Sonntag zu ahnen, als Pogačar am Fuß des Schlussanstiegs mit einem Platten fuhr – und just vor Eintreffen des ein Ersatzfahrrad bringenden Mannschaftsautos aus einer Kurve rutschte.

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