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Aus: Ausgabe vom 08.05.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Welthandel

Vorreiter auf Europatour

Chinas Präsident Xi Jinping beim Staatsbesuch in EU mit kurzsichtigen Vorhaltungen konfrontiert. Volksrepublik für Energiewende unverzichtbar
Von Wolfgang Pomrehn
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Viel war von Subventionen die Rede: Xi Jinping und Emmanuel Macron am Montag im Élysée-Palast

Chinas Präsident Xi Jinping wird auf seiner Europareise von den Gastgebern mit verschiedenen Vorwürfen konfrontiert. Die Beziehungen zwischen Beijing und Moskau sind ihnen ein Dorn im Auge. Und auch mit Importen aus China hadert die EU-Führung. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) ließ den Gast ziemlich undiplomatisch wissen, dass »Europa nicht davor zurückschrecken (wird), harte Entscheidungen zu treffen, um seine Wirtschaft und Sicherheit zu schützen«. Neben günstigem Stahl aus Fernost stören sich hiesige Unternehmen vor allem an Solaranlagen und Elektroautos aus der Volksrepublik, mit deren Preisen hiesige Hersteller kaum mithalten können. Es geht aber auch viel um das Fernhalten lästiger Konkurrenz. Ein Viertel der exportierten deutschen Autos hat inzwischen einen Elektromotor, wie das Statistische Bundesamt am Montag mitteilte. 786.000 E- Autos wurden 2023 ausgeführt, eine Steigerung um 58 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Eingeführt wurden hingegen nur 446.000 E-Fahrzeuge, nicht einmal ein Drittel davon aus China.

Dennoch ist in der EU viel von Überkapazitäten und wettbewerbsverzerrenden Subventionen in Fernost die Rede. Die EU-Kommission hat Prüfverfahren eingeleitet, an deren Ende Strafzölle unter anderem auf chinesische E-Autos und Solaranlagen stehen könnten. Die Regierung in Beijing reagiert auf ihre Art. Das chinesische Handelsministerium hat Anfang des Jahres mit einer ganz ähnlichen Untersuchung europäischer Weinbrandimporte begonnen. Das fernöstliche Land mit seiner großen wohlhabenden Mittelschicht gehört zu den wichtigsten Abnehmern französischen Cognacs. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ließ es sich, als er Xi am Montag zu einem Staatsdinner im Élysée-Palast empfing, nicht nehmen, seinem Gast eine Flasche Hennessy XO und einen teuren Rémy Martin zu schenken. Hennessy gehört zum Firmenimperium Bernard Arnaults, der nicht nur der reichste Mann Frankreichs ist, sondern laut dem US-Magazin Forbes mit einem geschätzten Vermögen von 233 Milliarden US-Dollar der reichste Mensch der Welt.

Wahrscheinlich handelt es sich bei der chinesischen Untersuchung der Weinbrandsubventionen um eine gezielte Stichelei. Die Volksrepublik reagiert damit auf die Androhung von EU-Zöllen, und zwar auf einem Feld, das der eigenen Wirtschaft nicht schadet und ausgesuchte Sektoren der Gegenseite alarmiert. Schon im Handelsstreit mit den USA unter der Präsidentschaft Donald Trumps hatte China gezielt Zölle auf Agrarprodukte erhoben, die die ländliche Wählerschaft Trumps trafen.

Besonders kurzsichtig sind Vorwürfe gegenüber Solarimporten aus China. Sie treffen nicht einmal in der Branche EU-weit auf ungeteilte Zustimmung. Der Großhandelspreis für Solaranlagen ist seit dem Sommer 2023 deutlich gefallen, hat aber noch nicht wieder seinen historischen Tiefstand von Mitte 2020 erreicht. Ursache für den jüngsten Preisverfall ist eine drastische Ausweitung der Fertigungskapazitäten in der Volksrepublik. Dort können inzwischen nach Angaben der Internationalen Energieagentur jährlich Solarzellen mit einer Leistung von über 1.000 Gigawatt (GW) hergestellt werden. Damit ließe sich rechnerisch der deutsche Strombedarf – immerhin der größte in Europa – etwas mehr als zweimal decken.

Es ist eine gigantische Menge neuer Solaranlagen, die China jährlich auf den Markt wirft, aber noch nicht genug, um die ehrgeizigen Ausbauziele zu erreichen, die sich viele Staaten auf der letzten UN-Klimakonferenz gesetzt haben. Rund 20 Prozent der Produktion installiert China derzeit im eigenen Land. Im vergangenen Jahr wurden neue Anlagen mit einer Gesamtleistung von 217 GW ans Netz angeschlossen, eine Zahl, die in der Fachwelt großes Staunen auslöste. Neueste Zahlen des finnischen Centre for Research on Energy and Clean Air zeigen, dass allein in den ersten beiden Monaten 2024 in China 37 GW neue Solarleistung installiert wurden. Hochgerechnet auf das ganze Jahr 2024 scheint die Volksrepublik damit ihr hohes Ausbautempo beibehalten zu wollen.

Derweil haben die USA chinesische Solarimporte bereits mit hohen Zöllen belegt. Anders werden die Dinge in Afrika bewertet. China ist mittlerweile größter Handelspartner der Länder des Kontinents. In aller Regel weiß man die günstigen chinesischen Solaranlagen zu schätzen. Auf dem Kontinent haben noch immer 600 Millionen Menschen keinen Zugang zur Stromversorgung. Jaya Josie, Ökonom am BRICS-Forschungszentrum in Südafrika, plädiert dafür, aus chinesischen Erfahrungen zu lernen, wie durch die Elektrifizierung der Dörfer mit erneuerbaren Energiequellen die Armut bekämpft werden kann.

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