junge Welt: Jetzt am Kiosk!
Gegründet 1947 Freitag, 17. Mai 2024, Nr. 114
Die junge Welt wird von 2751 GenossInnen herausgegeben
junge Welt: Jetzt am Kiosk! junge Welt: Jetzt am Kiosk!
junge Welt: Jetzt am Kiosk!
Aus: Ausgabe vom 03.05.2024, Seite 7 / Ausland
Antiterrorkampf

Zwischen den Fronten

Sahelallianz: Dschihadisten belagern malische Städte. Burkina Faso zensiert Medien wegen Berichterstattung über angebliches Massaker
Von Jörg Tiedjen
7.jpg
»Bleiben wir wachsam und bereit«: Wandmalerei in Burkina Fasos Hauptstadt Ouagadougou (24.4.2024)

Wie dramatisch sich die Sicherheitslage im Sahel zugespitzt hat, verdeutlichte am Mittwoch eine Pressemitteilung der Hilfsorganisation »Save the Children International«. Demnach haben Dschihadisten nach der Stadt Timbuktu nun auch Ménaka im Osten Malis von der Außenwelt abgeschnitten. Durch die Belagerung sei die Nahrungsmittelversorgung für »etwa 140.000 Menschen, darunter mehr als 80.000 Kinder«, zusammengebrochen. Ohne Hilfe von außen bestehe die Gefahr, »dass es in den kommenden Monaten zu zahlreichen Todesfällen kommt«.

Dabei hatte die malische Armeeführung erst Anfang der Woche auf X einen großen Erfolg gegen die bewaffneten Gruppen verkündet. Am Sonntag sei in der Region Ménaka der Dschihadistenführer Abu Hudhaifa getötet worden. Ihm würden »mehrere Übergriffe auf die Zivilbevölkerung und Angriffe auf die Armeen der Länder der Allianz der Sahelstaaten sowie auf ausländische Streitkräfte« zur Last gelegt. »Weil er für den Tod von US-Spezialkräften im nigrischen Tongo 2017 verantwortlich war«, hätten die USA auf ihn »ein Kopfgeld von fünf Millionen Dollar ausgesetzt«. Schon am 22. April hatte Malis Armee den Tod eines weiteren Islamistenchefs bekanntgegeben.

Im Nachbarland Burkina Faso, mit dem Mali und Niger sich im vergangenen Jahr zu einer Sahelallianz zusammengeschlossen hatten, scheinen im Kampf gegen die Dschihadisten die Nerven blankzuliegen. Vergangene Woche wurden mehrere ausländische Medien gesperrt, die über eine Untersuchung der US-amerikanischen Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) berichtet hatten, in der schwere Vorwürfe gegen das Militär des Landes erhoben werden. Von der Zensur betroffen waren zunächst die britische BBC und der US-Sender Voice of America, die für einen Zeitraum von zwei Wochen untersagt wurden. Am Sonnabend wurden auch die Deutsche Welle, der Guardian, Le Monde sowie zwei auf Afrika spezialisierte Agenturen »auf unbestimmte Zeit« suspendiert.

Demnach soll die burkinische Armee am 25. Februar im Norden des Landes mehr als 200 Zivilisten massakriert haben. Laut HRW hätten Überlebende berichtet, dass ein Truppenverband in zwei Dörfern eingefallen sei. Den Einwohnern sei vorgeworfen worden, Dschihadisten zu unterstützen, die kurz zuvor einen Armeestützpunkt angegriffen hatten. Die Soldaten seien »von Tür zu Tür gegangen« und hätten die Menschen aufgefordert, »aus ihren Häusern zu kommen und ihre Ausweise vorzuzeigen. Dann trieben sie die Dorfbewohner in Gruppen zusammen und eröffneten das Feuer«, schreibt HRW und fordert eine »unabhängige UN-Untersuchung«, da der »Verdacht auf Verbrechen gegen die Menschheit« bestehe.

Die Aussagen aus dem HRW-Bericht wurden von genannten Medien nahezu wörtlich übernommen. Nicht fehlen durfte der Hinweis, dass »einen Monat vor den Morden«, wie der Guardian anführte, »erstmals russische Truppen in größerem Umfang in dem Land« eingetroffen seien, »auch wenn es keine Anzeichen gibt, dass sie an dem Massaker beteiligt waren«. Das ist eine Anspielung auf Mali. Vor zwei Jahren hatte HRW eine vergleichbare Recherche veröffentlicht, nach der Malis Armee 2022 unter dem Vorwand der Terrorbekämpfung in dem Dorf Moura an die 300 Einwohner getötet haben soll – im Beisein russischer »Wagner«-Söldner.

Wie die ebenfalls vom Bann getroffene Genfer Agence Ecofin am Montag hervorhob, bestreitet Burkina Fasos Regierung nicht, dass es in den betreffenden Dörfern Tötungen gegeben habe. Die Justiz des Landes hat selbst Ermittlungen aufgenommen. Allerdings beklagt die burkinische Regierung eine »Medienkampagne«, um »unsere Kampftruppen in Misskredit zu bringen«, wie am Sonnabend verlautete. Wie Mali und Niger setzt auch Burkina Faso neuerdings auf russische Militärhilfe, um der Bedrohung durch die Dschihadisten Herr zu werden. Die militärische Präsenz der früheren Kolonialmacht Frankreich dagegen wurde beendet. Das findet wenig Gegenliebe in Paris und anderen westlichen Metropolen, weswegen Berichte über Greueltaten sofort aufgegriffen werden. Längst ist der Sahel im Kräftemessen zwischen dem Westen und seinen Gegnern zwischen die Fronten geraten.

Tageszeitung junge Welt am Kiosk

Die besonderen Berichterstattung der Tageszeitung junge Welt ist immer wieder interessant und von hohem Nutzwert für ihre Leserinnen und Leser. Eine gesicherte Verbreitung wollen wir so gut es geht gewährleisten: Digital, aber auch gedruckt. Deswegen liegt in vielen tausend Einzelhandelsgeschäften die Zeitung aus. Überzeugen Sie sich einmal von der Qualität der Printausgabe. Alle Standorte finden Sie unter diesem Link.

Ähnliche: