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Aus: Ausgabe vom 02.05.2024, Seite 7 / Ausland
Schweiz

Mehr rassistische Vorfälle in der Schweiz

Hotspot Schulen: Bericht für 2023 zeigt höchsten Anstieg und gewachsene Meldebereitschaft
Von Kim Nowak
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Rechtes Gedankengut stoppen – ob auf der Straße oder in den Schulen: Antifademo in Zürich (12.2.2022)

Die Schweiz hat ein Rassismusproblem. Nicht anders lassen sich die Daten interpretieren, die die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus (EKR) gemeinsam mit dem Menschenrechtsportal human­rights.ch und dem Beratungsnetzwerk für Rassismus am Sonntag veröffentlicht hat. Im Bericht für das Jahr 2023 wird darauf hingewiesen, dass die Anzahl gemeldeter rassistischer Vorfälle um 24 Prozent angestiegen ist: Das sind 876 gemeldete Fälle. Im Jahr 2021 hatte es 630 Fälle gegeben und 2022 waren es 708. Demnach haben »sich so viele Menschen wie nie zuvor an das Beratungsnetz für Rassismusopfer gewandt«. Dabei erhebt die EKR keinen Anspruch auf die vollständige Erfassung aller rassistischen Vorfälle in der Schweiz, denn nur entsprechende Beratungen in den dem Netzwerk angeschlossenen Stellen finden Berücksichtigung.

Die bei den Meldungen am häufigsten genannten Diskriminierungsmotive stellten dabei mit 387 Fällen »Ausländer- und Fremdenfeindlichkeit« sowie »antischwarzer Rassismus« mit 327 Fällen dar. Personen aus dem arabischen Raum waren 69mal betroffen, danach wurden antimuslimischer Rassismus (62) und Antisemitismus (46) genannt. Es fällt auf, dass vor allem das Äußere entscheidend ist: So sind in den meisten erfassten Fällen Menschen mit europäischer Herkunft (299) betroffen, 167 davon sind Schweizer, die als »fremd« wahrgenommen werden. Danach folgen 124 Meldungen bezogen auf Menschen afrikanischer Herkunft. Inwiefern in den Bericht bereits etwaige Meldungen über antipalästinensischen Rassismus oder Antisemitismus nach dem 7. Oktober 2023 eingeflossen sind, bleibt unklar.

Deutlich wird jedoch, dass es eine Zunahme rassistischer Vorfälle im Bildungsbereich gibt. In den letzten Jahren war es meist der Arbeitsplatz, wo rassistisch beleidigt wurde, nun sind es Schulen und Bildungsstätten. Besonders betrifft es schwarze Schüler, die unter anderem während des Sportunterrichts im Geräteraum eingesperrt oder mit dem »N-Wort« betitelt wurden. Dass jährlich mehr rassistische Vorfälle an den Schulen gemeldet werden, sei jedoch kein Zeichen dafür, dass sich dort Rassismus immer weiter verbreite. Es spreche vielmehr, wie die Geschäftsführerin der EKR Alma Wiecken betont, für eine höhere »Wachsamkeit« im Umgang mit Rassismus. »Es gibt in der Aus- und Weiterbildung (für Lehrer) Fortschritte, und das führt dann natürlich auch zu mehr Meldungen«, so Wiecken im SRF. Deutlich wird zudem, dass sich nicht nur Betroffene, sondern auch das Lehrpersonal selbst oder Eltern an entsprechende Beratungsstellen wenden. Man müsse allerdings anerkennen, so Wiecken weiter, dass die Schulen das Rassismusproblem selbst nicht werden lösen können. Auch sei es utopisch anzunehmen, dass jede Schule eine eigene Beratungsstelle einrichten könne.

Seit 2021 betreibt die EKR eine Plattform, auf der man online »Hassrede« melden kann. Dort zeigt sich für das Jahr 2023, dass hauptsächlich gegen schwarze Menschen gerichtete rassistische Inhalte gemeldet wurden: Von insgesamt 191 Meldungen bezogen sich 56 auf schwarze Personen. 67 der Meldungen waren strafrechtlich relevant, 14 wurden den Strafverfolgungsbehörden übermittelt. Zugenommen haben in diesem Bereich Meldungen über Antisemitismus und antimuslimischen Rassismus, für die EKR ein Hinweis darauf, »dass sich gesellschaftliche und politische Ereignisse in der Regel schnell in der Art von Hassrede im Internet niederschlagen«.

Rassistische Diskriminierung findet dabei nicht nur in zwischenmenschlichen Interaktionen statt, sondern etwa auch in Form polizeilicher Personenkontrollen aufgrund rassistischer Vorurteile. Im vergangenen Jahr waren offiziell 39 Personen vom sogenannten Racial Profiling betroffen. Im Februar bestätigte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) diesen Vorwurf eines schwarzen Schweizers aus Zürich, der einer solchen Personenkontrolle ausgesetzt gewesen war. Angesichts des Rechtsrucks in der Schweizer Gesellschaft muss aber davon ausgegangen werden, dass sich das Rassismusproblem in der Alpenrepublik nicht so schnell auflösen wird – im Gegenteil.

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