4. Mai, Diskussion zu Grundrechten
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Aus: Ausgabe vom 24.04.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Wegwerfgesellschaft

EU stärkt Recht auf Reparatur

Großes Problem, kleiner Wurf: Elektrogeräte sollen zu »vernünftigen« Preisen repariert werden können
Von Alexander Reich
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»Alt … aber fein!« Angeblich funktionstüchtige Waschmaschine, plaziert auf einem Berliner Gehweg

Das EU-Parlament hat am Dienstag in Strasbourg neue »Regeln zur Förderung der Reparatur von Waren« verabschiedet. Wer seinen Kühlschrank retten lassen will, soll das Recht darauf haben. Genauso bei Staubsaugern, Geschirrspülern und Waschmaschinen, aber auch Smartphones, Tablets und Fahrrädern. Die Liste könne in den kommenden Jahren weiter verlängert werden, heißt es.

Vorneweg sollen Hersteller ihre Produkte reparabel machen. Auch für unabhängige Werkstätten. Exklusivitätsklauseln sollen der Vergangenheit angehören, ebenso der Einsatz von Hard- oder Software, die eine Instandsetzung durch Dritte erschweren, wenn nicht unmöglich machen. Gebrauchte Ersatzteile oder solche aus dem 3D-Drucker sollen verwendbar sein können. Aber die Hersteller sollen auch selbst Ersatzteile und Werkzeuge zu einem vernünftigen (»reasonable«) Preis zur Verfügung stellen.

Was noch vernünftig ist, bleibt dabei Auslegungssache. Wenn etwa bei einer Waschmaschine die Steuerungselektronik ausfällt, und der Defekt mit rudimentären Lötkenntnissen für ein paar Euro zu beheben wäre – ist es da vernünftig, für ein paar hundert Euro das komplette Bedienfeld austauschen zu lassen? Im kapitalistischen Wirtschaftssystem durchaus. Noch besser wäre nur die Anschaffung eines komplett neuen Geräts, das im Sonderangebot nicht viel teurer ist, jedoch heller glänzt.

Der »tiefere Sinn« der Wegwerfgesellschaft ergibt sich aus hoher Produktivität und Profitstreben. Je höher die Stückzahl, desto niedriger der Stückpreis, und noch das billigste Produkt muss an die Frau oder den Mann gebracht werden, um den Gewinn zu realisieren. An diesem Grundprinzip wollen die meisten EU-Politiker nichts ändern. Es geht ihnen nur darum, die Verschwendung ein wenig einzuhegen. Sie werden im Fall der Waschmaschine also nicht vorschreiben, dass sich jemand mit einem Lötkolben die Platine angucken muss, bevor Bosch oder Siemens ein neues Bedienfeld schicken dürfen.

Um Verbraucher auf den Geschmack zu bringen, soll eine Internetplattform eingerichtet werden, auf der jeder die nächstgelegene Werkstatt finden kann. Auf jede Reparatur soll es ein Jahr Garantie geben. Was die Durchschlagskraft der Regeln angeht, machen sich die Verantwortlichen keine allzu großen Illusionen. Die EU-Kommission hofft auf drei Millionen Tonnen weniger Abfall – in 15 Jahren. In diesem Zeitraum dürften im Wirtschaftsraum allein an die 100 Millionen Tonnen Elektroschrott anfallen.

Sobald die einzelnen Staaten den von ihren Unterhändlern abgenickten Regeln zugestimmt haben, werden sie im EU-Amtsblatt veröffentlicht. Von da an haben die Mitglieder zwei Jahre Zeit, sie in nationales Recht umzusetzen. Jeder Staat wird dann auch »mindestens eine Maßnahme zur Förderung von Reparaturen« ergreifen müssen. Er kann Gutscheine für Reparaturen verteilen, diese steuerlich begünstigen oder Räume für Werkstätten zur Verfügung stellen, aber zur Not reicht auch eine Informationskampagne.

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